Heißes Geld
anbehielt, wie das gelbe Leinenkleid, zu dem sie sich noch eine Blazerjacke kaufte.
Als sie bei Kern auf der Kö auch noch eine ganz bescheidene Brosche erstand, hatte sie den Zuschuss für ihre Mutter bereits auf 500 Mark gekürzt und begonnen, sich zu fragen, ob sie weitere Käufe noch in den Porsche laden könnte. Erstens hatte der Wagen wirklich einen sehr kleinen Kofferraum, und zum anderen war Sabine inzwischen klar geworden, wie schmal das Niemandsland zwischen Erwerbssinn und Habgier ist.
Sie tankte auf und fuhr nach Kettwig zurück. In der Firma hatte sie eigentlich nichts mehr zu tun und vergaß, daß heute ihr freier Tag und dem Urlaub vorgeschaltet war und daß sie hier im Haus auch als Musterbeispiel für Dezenz und Diskretion galt. Sie ging mit den hochhackigsten Schuhen, die sie je an ihrem Arbeitsplatz getragen hatte, über den Gang, angeblich um nachzusehen, ob Nareike vor seiner Abreise die Geschäftspost noch unterschrieben hätte. Prompt lief sie der Zängerin in den Weg. Die Kollegin blieb verblüfft vor ihr stehen: »Mensch, hast du dich fein ausstaffiert«, sagte sie. »Todschick, steht dir prächtig! Das muß doch 'ne Stange Geld gekostet haben.«
»Ersparnisse«, erwiderte Sabine.
Die Pralline lächelte wissend: »Gib nicht so an«, konterte sie gutmütig: »Du überziehst doch dein Konto genauso wie ich.« Man sah ihr förmlich an, daß sie auf der richtigen Spur war: »Gratuliere Sabine, daß du endlich klug wirst. Wenn ich deine Beine hätte, dein Gesicht und deinen Busen, was meinst du, was ich daraus machen würde.«
»Aber du machst doch genug aus deinen Beinen, deinem Gesicht und deinem Busen«, entgegnete Sabine lachend, und arglos stimmte die Zängerin mit ein; sie wünschte der Kollegin schöne Urlaubswochen: »Weißt du was, Sabine«, setzte sie mit gedämpfter Stimme hinzu: »Ich habe so das dumpfe Gefühl, daß du als Frau Nareike aus den Ferien zurückkehrst.«
»Du spinnst wohl«, erwiderte Sabine heftig – aber es war ihr klar, daß sie der Betriebstratsch mit Nareike verkuppeln würde, und sie sah schon die Alternative heraufziehen, zu kündigen oder ihren Chef tatsächlich zu heiraten.
Sabine fuhr nach Castrop-Rauxel, und wieder genoß sie die Fahrt wie einen Rausch. Sie spürte, daß sie von Kilometer zu Kilometer süchtiger wurde wie ein Fixer von Schuß zu Schuß. Nareike war ihr Pusher, und die Drogenabhängige würde den Stoff immer wieder beschaffen müssen, gleich ob sie den Dealer bezahlte, bestahl, betrog oder heiratete. Und was immer sie täte, er allein trüge die Schuld daran.
Maria Littmann, Sabines Mutter, wohnte in einer trostlosen Straße, deren kleine Häuser zu einer längst stillgelegten Zeche gehörten. Die Luft war rußig und die Nachbarschaft neugierig, und ein Porsche, so sagte sich Sabine beim Aussteigen, paßte in diese Arme-Leute-Gegend wie die Faust aufs Auge.
Ihre Mutter kam aus dem Haus, aufgeregt vor Freude. Dann sah sie das Cabriolet stehen und wirkte entsetzt: »Mein Gott, Kind«, sagte sie, »du wirst doch nicht wieder etwas mit diesem Radke angefangen haben.«
»Nein, Mutter, sei unbesorgt.«
Sie gingen ins Haus. Sabine überreichte ein Kuvert. »Mach's auf«, sagte sie.
Frau Littmann folgte mechanisch und entnahm dem Umschlag 300 Mark. Sie bedankte sich zögernd. »Woher hast du soviel Geld, Sabine?« fragte sie dann skeptisch.
»Ich werde vielleicht bald noch sehr viel mehr haben«, erwiderte sie. »Womöglich heirate ich demnächst.«
»So plötzlich«, erwiderte die alte Frau erschrocken. »Wen denn überhaupt?«
»Jedenfalls keinen Mann aus dem Armenhaus«, entgegnete Sabine schnippisch: »Du hast ja immer gewollt, daß ich eine gute Partie mache.«
»Zu meiner Zeit hat man einen Mann geheiratet, den man liebte.«
Sabine betrachtete demonstrativ die ärmliche Einrichtung und konterte: »Man sieht ja, wohin es führte.«
»Das darfst du nicht sagen, Kind«, erwiderte die 70jährige. »Wenn wir andere Zeiten gehabt hätten, würde dein Vater noch leben, hätten wir ein Haus mit Garten, Sparbücher mit ein paar tausend Mark, ein kleines Auto und sicher auch schon ein, zwei Enkelkinder.«
»Und so hast du eine Katze«, entgegnete Sabine, »eine Wohnküche, eine Rente von 243 Mark und eine überständige Tochter.«
Ohne es zu wollen, hatte die Mutter für Nareike Partei ergriffen. Getrennt von ihm, spürte Sabine wieder das seltsame Wechselspiel, merkte, daß ihr Körper von ihm angezogen und ihr Denken von ihm
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