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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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»Roter Kopf, schweißnasse Stirn, Sorgenfalten – du hast dich in den letzten drei Minuten um etwa 20 Jahre verjüngt.«
    Er setzte sich, als müßte er es aus Erschöpfung tun, zündete sich eine Zigarette an, schüttelte den Kopf. Schließlich trat ein zu allem entschlossenes Lächeln aus einem verdüsterten Gesicht wie die Sonne durchs Gewölk. »Und was sagen wir zu Sigi?«
    »Die Wahrheit«, erwiderte Babs, »wie immer sie morgen früh aussehen mag.«
    »Nun hör schon auf mit dem Unfug, Balg«, wies er sie zurecht. »Ich bin weder ein Kindskopf, noch ein Lustmolch. Ich habe aber auch keine Lust, heute Nacht im Wald zu schlafen.« Henry stand auf, ging ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen. »Aber einigermaßen peinlich ist das schon.«
    »Dem Reinen ist alles rein«, zitierte Barbara. »Und den Schweinen wird alles Schwein.«
    Mit dem Abend kam die Spannung, steigerte sich von Viertelstunde zu Viertelstunde. Die beiden saßen noch zusammen bei einer Flasche Rotwein. In regelmäßigen Abständen verließen sie abwechselnd den Tisch, gingen nach draußen um festzustellen, ob vor dem ›Haus Wetterstein‹ ein Wagen mit einer Münchener Nummer vorgefahren wäre, um dann jeweils enttäuscht zurückzukommen.
    Eine Stunde vor Mitternacht wurde der Gasthof abgesperrt, und Henry bat um einen Schlüssel, weil er als Frühaufsteher bei Sonnenaufgang einen Waldspaziergang unternehmen wolle. Barbara war schon nach oben gegangen. Schließlich mußte der Begleiter ihr folgen. Er hoffte, sie würde schon schlafen, aber sie lag im Bett, hatte die Decke bis über das Kinn gezogen und las. Er trat ans Fenster. Die Grillen zirpten, der Mond versilberte die Landschaft, der Duft der Blumen war verwirrend. Er atmete schwer und spürte etwas zurückkehren, was er lange vermisst hatte. Er dachte an Jessica, bis er ein wenig schuldbewusst merkte, daß es gar nicht Jessica war, an die er gedacht hatte.
    In diesem Moment hörte er ein Motorengeräusch. Ein Wagen hielt, die Türe wurde zugeschlagen. Der Amerikaner ging hastig nach unten, sperrte auf, lief zum ›Haus Wetterstein‹. Die Grillen zirpten noch immer, der Mond machte weiterhin die Häuser unwirklich, und nirgendwo war ein Wagen mit einer Münchner Nummer zu sehen.
    Er schob noch eine weitere halbe Stunde Wache, dann ging er wieder zurück. Das Licht im Zimmer war gelöscht, und Barbara schlief. Er ließ sich Zeit im Bad, schob sich im Dunkel vorsichtig auf das Bett zu und kroch auf seine Seite.
    »Siehst du«, sagte Babs, »es ist halb so peinlich.«
    »Solange man wach ist«, konterte Henry. »Aber so im Halbschlaf, weißt du, wenn dann die vegetativen Reflexe sich …«
    »Ich würde dir eine herunterhauen«, entgegnete sie lachend, »und es wäre auch ein vegetativer Reflex …«
    »Das ist eine Basis«, erwiderte er. Schon Minuten später stellte er fest, daß Barbara eingeschlafen war; er lag noch lange wach, aber er dachte nicht mehr an das hübsche Mädchen neben sich, sondern an den Mann, auf den er wartete und den er vernichten wollte, ohne zu wissen, wie er es könnte.
    Wieder hörte er Motorengeräusch, aber dieses Mal blieb er liegen; und schließlich schlief auch er ein.
    Der Mann, der seine Frau ermorden wollte, war längst in München eingetroffen, hatte den Wagen am Stadtrand abgestellt und sich mit einem Taxi in die Innenstadt bringen lassen, wo er in einer kleinen Kneipe die Dunkelheit abwartete. Niemand außer Hannelore kannte Nareikes Abstecher nach München, und nun hieße es, seine Frau zu begrüßen, zu besänftigen und zu vergiften. Dann würde er nach Stuttgart zurückjagen und im Hotel ›Zeppelin‹ auf Sabine warten, um mit ihr morgen in die Schweiz weiterzureisen.
    Noch bevor die tote Hannelore entdeckt würde, wäre er schon im Nachbarland, und das hieße dann: Kassieren und spendieren, in Abwandlung der alten Parole: Divide et impera – teile und herrsche. Eine Stunde noch und seine Zukunft hätte schon begonnen.
    Wie immer auf Reisen, führte Nareike sein gesamtes Fluchtgepäck mit sich: eine große Menge Bargeld in einem Koffer mit doppeltem Boden, seine Pistole mit einem regulären, auf Werner Nareike ausgestellten Waffenschein, den Reservepaß mit seinem Lichtbild versehen und dem Namen Gregor Schaffranzky, sowie die beiden Himmler-Kapseln. Er nahm nicht an, daß er sein Fluchtarsenal bei dieser Reise oder künftig überhaupt noch nutzen müßte, aber, um gegen unvorhergesehene Fälle abgesichert zu sein, war er seit langem

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