Heißes Geld
Gönner mußte sie selbst eingeholt haben. Sabine machte sich keine Illusionen. Sie wußte, daß die ›Kleiderkasse‹ im Privattresor, das schnittige Cabriolet und der Blankoscheck nichts anderes waren als Dressurmittel, die sie manipulieren und korrumpieren sollten. Sie war zornig auf die Männer, ob sie nun mit hinhaltenden Eheversprechungen oder mit verschwenderischer Großzügigkeit operierten. Letztlich wollten sie doch alle nur von ihr, was sich der Russe mit Gewalt genommen hatte.
Sabine hatte kein normales Verhältnis zum anderen Geschlecht, konnte es nicht haben. Die Scheußlichkeit beim Sowjeteinmarsch in Breslau hatte ihre Jugend bereits zerbrochen, bevor sie herangereift war. Die harmlosen Wonnen ihrer Freundinnen, die scheuen Begegnungen, der erste Kuss, die Liebesschwüre im Mondschein waren ihr versagt geblieben, weil ihre Unbefangenheit zerstört worden war. Es fehlten ihr die Jahre, in denen eine Heranwachsende träumt, liebt und versucht, ihre Illusionen mit dem Leben zu arrangieren; und so hatte Sabine auch nicht dem netten Jungen begegnen können, der sie – selbst noch halb blind – bei der Hand genommen und in die Zukunft geführt hätte.
Lustlos verglich Sabine Peter Radke mit Werner Nareike: Ihr früherer Liebhaber war elf Jahre jünger als ihr jetziger Chef und in seinem Auftreten brillanter und auch weit schlagfertiger; dafür erinnerten bei Nareike nicht ständig drei Kinder an müde Hotelsünden.
Sabine hatte den Wagen aus der Stadt gelenkt und vor Lust am Fahren die Orientierung verloren. Es war ihr egal, wohin die Straße führte, der Tank war voll, und sie würde die Kilometer fressen, nur um den Motor zu hören, den Lack zu riechen, sich vom Fahrtwind das Gesicht kühlen und die Haare zersausen zu lassen – und sich auszurechnen, daß sie am Stadtrand von Düsseldorf nicht mehr umsteigen müßte. Wer wird schon in einer solchen Situation fragen, was er dafür bezahlen mußte? Es wäre doch wohl jeden Preis wert.
Jeden Preis? Auch Nareike? Sie hatte wieder eine freie Strecke vor sich und trat das Gaspedal durch. Der Motor heulte auf. Der Wagen schoß wie ein Pfeil dahin, und die Geschwindigkeit enthob sie des Zwangs, über ihre nähere Zukunft nachzudenken und dabei zu einer Entscheidung zu kommen, ob man mit einem Mann, dessen Faszination frösteln machte, zusammenleben könne; mit einem Mann, von dem man nur wußte, daß er ein erstklassiger Manager war, der sich durch Waldläufe fit hielt, manchmal zu viel trank, neuerdings eine Schwester hatte und eine Unmenge Dollars geerbt haben soll.
Sabine stellte fest, daß sie schon fast 200 Kilometer gefahren war. Sie orientierte sich und merkte, daß sie in ihrem Geschwindigkeitsrausch weit ins westfälische Land hineingefahren war. Sie kehrte um und rollte auf dem kürzesten Weg nach Kettwig zurück, parkte den Wagen und ging in ihr Apartment, um wenigstens noch ein paar Stunden Ruhe zu finden.
Als sie endlich eingeschlafen war, jagte sie weiter, ohne Rücksicht darauf, daß der Porsche noch nicht eingefahren war. Der Wagen wurde schneller und schneller, der rasanteste Flitzer ihres Lebens. Sie knallte frontal gegen einen Baum und brauchte Sekunden, bis sie begriffen hatte, daß sie nur im Schlaf aus der Kurve getragen worden war.
Benommen stand sie auf, trat ans Fenster. Es war längst hell, und die Sonne spiegelte sich auf weißem Porsche-Lack. Sie konnte sich Zeit mit der Morgentoilette lassen. Dann saß sie wieder am Steuer, fuhr weit vorsichtiger als im Traum nach Düsseldorf, um zum schnittigen Wagen die passende Garderobe zu erwerben. Den Blankoscheck wollte sie nicht anrühren, und von den dreieinhalbtausend Mark hatte sie tausend beiseite getan als Geschenk für ihre Mutter; mit den restlichen zweieinhalb wollte sie die Königsallee und Umgebung durchstreifen.
Sabine begann mit ihren Einkäufen ganz bescheiden: Zuerst einen Badeanzug. Da sie sich zwischen zwei Modellen nicht entscheiden konnte, nahm sie beide mit. Dazu noch eine Strandkombination, denn wohin sie auch reisen würde, die Sonne wäre ihre Begleiterin.
Nebenan war ein elegantes Lederwarengeschäft. In der Auslage lockte ein unwahrscheinlich schöner Koffer aus Büffelleder, ausgezeichnet mit 480 Mark, ein Preis, der für sie gestern noch so unerreichbar gewesen war wie ein Porsche. Aber gestern war gestern und heute war heute, und das feierte Sabine mit einem dunkelgrünen Cocktailkleid und zwei Paar Jourdan-Schuhen, wovon sie ein Paar ebenso
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