Heißes Geld
dürfen?«
»Ja«, antwortete Nareike mit heiserer Stimme.
Der Uniformierte ließ sich den Führerschein zeigen und fragte, ob die Einreisenden etwas zu verzollen hätten.
»Nein«, versetzte der Mann am Steuer in der Art eines beflissenen Musterschülers. »Nein, wirklich gar nichts.«
Ohne Hast griff der Zollbeamte nach den Papieren. Sabines Paß lag obenauf; er verglich sorgfältig und umständlich das Foto mit dem Mädchen, klappte das Dokument zu und prüfte den zweiten Paß, der so unbenutzt war, daß er Nareike auffällig schien; Sekunden nur, aber sie schienen wie aus Gummi, gedehnt, endlos, gemein.
Er zog den Kopf in den Nacken, zündete sich eine Zigarette an, verfehlte zwei, drei Mal das Streichholz. Sabine verfolgte verwundert seine Nervosität. Der Zöllner verlangte die grüne Versicherungskarte.
»Die was?« lallte Nareike. Da er nie über die Grenze gefahren war, hielt er die für Millionen von Reisenden geläufige Formalität für eine Falle. Sein Gesicht wirkte so gehetzt, daß es der Grenzbeamte mißtrauisch betrachtete.
»Grüne Versicherungskarte«, wiederholte er. »Haben Sie die nicht bei sich?«
»Nein«, antwortete der Mann am Steuer, »nein …«
»Dann fahren Sie bitte rechts heraus«, befahl der Zöllner.
Aus, dachte Nareike. Seine Arme hingen schlaff nach unten. Von Platzangst befallen, fürchtete er, gelähmt zu sein.
»Hierher«, wies der Uniformierte auf den Parkplatz.
»So mach schon!« fuhr ihn Sabine an.
Während Nareike der Weisung folgte, zählte er die Grenzbeamten: Es waren fünf oder sechs, alle hatten Pistolen, und neben ihnen standen Frauen, die alle Hannelores Gesicht trugen, und gejagt von dieser Übermacht, kämpfte Nareike gegen den Impuls, mit Vollgas durch die offene Grenzsperre zu rasen.
»Also, wir kommen voran«, sagte der Kriminalinspektor a.D. der fast mit dem Klopfzeichen in Barbaras Hotelzimmer eingetreten war. »Unsere Problemdame von vis-à-vis hat sich einen Eisbeutel und eine Zitronenlimonade aufs Zimmer schicken lassen. Sie ist jetzt im Bad, und ich nehme an, daß sie das Apartment verlassen wird, solange das Zimmermädchen aufräumt. Ich würde vorschlagen: Sie setzen sich in die Halle, ich halte mich in ihrer Nähe auf und gebe Ihnen dann einen Wink, es wird wohl Zeit, daß Sie Ihr ›Objekt‹ persönlich kennenlernen.«
Barbara nickte.
»Den Herrenbesuch hat Frau Linsenbusch übrigens bereits hinter sich. Drei leere Sektflaschen liegen im Papierkorb, und von zwei Sektschalen war eine zerbrochen.« Vollmer wirkte überraschend beweglich, nicht nur geistig, auch körperlich. »Sie können natürlich sagen, daß es kein Beweis für einen Besucher ist – ein Glas könnte zerbrochen sein, und die drei Flaschen hätte Frau Linsenbusch womöglich allein geschafft, weil sie Kummer und das Bedürfnis hatte, sich einmal ordentlich zu betrinken.« Er lächelte knapp: »Aber meine Kollegen haben gezaubert: Im ›Regina‹ wohnt Frau Linsenbusch zum ersten Mal, aber die Fahndungsabteilung der Münchner Kripo ermittelt gerade weitere Hotels der Innenstadt, in denen sie in den letzten Jahren abgestiegen war. Zwei haben sie bereits gefunden, das ›Marienbad‹ und das ›Carlton‹. In beiden war unsere Dame Stammgast. Sie hat – wo immer sie sich aufgehalten hatte – an alkoholischen Getränken nur genippt, nie einen Mann oder überhaupt jemanden getroffen, aber immer auf einen Telefonanruf gewartet.« Er betrachtete Barbara mit deutlichem Wohlgefallen: »Finde ich übrigens toll, daß Sie in Ihrem Alter schon promoviert haben, Fräulein Doktor.«
»Sagen Sie es nicht weiter«, entgegnete Barbara lachend.
Tüchtig wie er war, hatte sich Vollmer inzwischen wohl auch ihren und Henrys Anmeldeschein angesehen. Die Assessorin nahm an, daß er als ehemaliger Kriminalbeamter bei Direktion und Personal einen ganz anderen Rückhalt hätte als ein windiger Hoteldetektiv, der sich in einer Gelegenheitsarbeit versuchte. Vollmers Sonderwünsche würden respektiert, ohne daß man Fragen stellte oder nach einer Vollmacht verlangte. Jeder wußte, daß der Pensionierte weniger des Geldes wegen hier tätig war, sondern einfach den Spuren seines beruflichen Lebens folgte, Korrektheit mit Geschmeidigkeit verbindend. Sicher wäre es kein Usus dieses ersten Hauses, Hotelgäste über das Zimmermädchen zu kontrollieren und Telefongespräche mitzuhören, aber andererseits war Vollmer dafür da, Skandale zu verhindern, und er hatte längst keinen Zweifel mehr, daß
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