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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Nareike noch einmal Hannelore anrufen und vertrösten. Er stellte sich vor, wie sie schon jetzt in ihrem Hotel-Apartment darauf wartete, gleich einer Spinne im Netz. Er war bereit, sie mit Fliegen zu füttern.
    Sie legten eine kurze Rast ein, aßen im Gartenrestaurant eines Hotels. Nareike entschuldigte sich, da er ein wichtiges Telefongespräch zu führen habe. Er ging in die Kabine und plauderte gegenstandslos aber liebevoll mit Hannelore im ›Hotel Regina‹.
    Als er zurückkam, saß Sabine zurückgelehnt in dem Stuhl und ließ ihr Gesicht von der Abendsonne streicheln. Hinter ihr lag, zum Greifen nahe, das goldene, rettende Ufer der Schweiz, und dazwischen tummelten sich flinke Boote, deren weiße Segel aussahen wie Einstecktücher, mit denen sich der Bodensee schmückte. Nareike sagte sich, daß ihn von seiner glänzenden Zukunft nur noch dreißig Minuten Ungewissheit trennten.
    »Wo bleibst du so lange?« fragte Sabine.
    »Einen doppelten Kirsch!« rief Nareike dem Kellner zu.
    »Ich hatte den ganzen Tag nichts im Magen und dummerweise zu schwer gegessen«, wandte er sich an Sabine. »Nimmst du auch einen Schnaps?«
    »Danke«, erwiderte das Mädchen und wies lächelnd auf den Nebentisch, an dem sich ein viel zu alter Herr im linkischen Flirt um ein viel zu junges Mädchen bemühte. »Sieht das nicht komisch aus?« fragte Sabine boshaft.
    »Lass das!« entgegnete er schroff.
    Das scharfe Getränk tat ihm gut, aber dann erinnerte sich Nareike, daß es kaum ratsam wäre, beim Grenzübertritt durch eine Alkoholfahne aufzufallen.
    »Wir müssen weiter«, drängte er und stand auf.
    Er half Sabine galant beim Einsteigen, setzte sich mit finsterem, zergrübeltem Gesicht an das Steuer und fuhr an der Seestraße entlang, in Richtung Meersburg; zuerst zu schnell, später zu langsam.
    »Erst rast du wie ein Henker«, räsonierte Sabine, »jetzt bummelst du auf einmal.«
    Nareike sah auf die Uhr. Vielleicht hätte er Glück, und der Grenzübergang wäre noch belebt. Sie erreichten die Autofähre, ohne warten zu müssen. Sie standen an der Reeling und sahen den Möwen zu. Die Fähre näherte sich in rascher Fahrt dem anderen Ufer.
    Der Wind löste Sabines Haare; flammend blond und lang wuschelten sich die Strähnen um ihren Kopf. Die frische Brise spielte keck mit ihrem bunten Sommerkleid, formte ihren reizvollen Körper nach, wühlte in ihrem Rock, enthüllte und verdeckte ihre langen, schlanken Beine. Die männlichen Reisenden in der Nähe genossen das hübsche Bild; aber Nareike war erstmals blicklos für seine Begleiterin. Er starrte unentwegt auf das klare, durchsichtige Wasser. Auch sein Gesicht erschien Sabine in diesen Minuten durchsichtig, und auf seinem Grund lag unbestimmte Panik.
    Die Fähre legte an. Zügig rollten die Autos von Bord, Richtung Grenze. Nareike hatte höchste Zeit, sie zu überschreiten, aber nun ging es ihm doch zu schnell.
    Vier, fünf Wagen wurden vor ihm abgefertigt. Ein deutscher Grenzbeamter ließ sich die Papiere der Ausreisenden zeigen und musterte sie flüchtig. Neidvoll sah Nareike den abrollenden Fahrzeugen nach. Die Angst hing an ihm wie ein Geruch.
    Er wollte dem Zöllner die Pässe durch das offene Wagenfenster reichen. Es sah aus, als höbe er die Hand zu einer stummen, demütigen Bitte.
    Der Beamte wies ihn durch eine Handbewegung an, weiterzufahren.
    Fünfzehn Meter noch zur anderen Seite, zehn.
    Auf einmal sah Nareike eine Frau, die Hannelore ähnelte. Er trat die Bremse so hart durch, daß der ihm folgende Wagen auf seine Stoßstange auffuhr. Der Mann schimpfte wild, stieg mit rotem, anschwellendem Gesicht aus und drohte fuchtelnd mit den Armen.
    Nareike stellte fest, daß nichts passiert sei, aber der andere Fahrer war nicht zu beruhigen, notierte Autonummer und Adresse des Schuldigen. Die Umstehenden beobachteten unwillig die Szene, die den nachfolgenden Wagen die Straße blockierte. Sie hupten wild, und Nareike verschuldete, was er unbedingt vermeiden hatten wollen: Aufsehen an der Grenze.
    Er drückte dem Aufgebrachten einen Hundert-Mark-Schein in die Hand, und erkannte an dessen wortlosen Staunen, daß er schon wieder einen Fehler gemacht hatte, indem er den Mann viel zu großzügig abfand.
    Er setzte sich ans Steuer, fuhr an der Frau, die ihn erschreckt hatte, vorbei und erkannte jetzt, daß sie Hannelore kaum ähnlich sah und auch weit jünger war.
    »Grüezi«, sagte der schweizerische Zollbeamte. »Sie wissen doch, daß Sie in der Kolonne nicht so scharf bremsen

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