Heißes Geld
hübsch«, bestätigte Hannelore. »Und ich habe dir für dein großartiges Benehmen wirklich zu …«
»Nur ein kleiner Vorschuss auf unsere nächste Zukunft«, erwiderte Nareike bescheiden; er sprach sanft, wie der Wolf, der Kreide gefressen hatte, um die sieben Geißlein zu übertölpeln. Es war eine beachtliche schauspielerische Leistung, denn Nareike befand sich in einer heillosen Lage. Jeder andere hätte wohl an seiner Stelle durchgedreht, aber er sagte sich, daß ein Dollarmillionär wegen einer alternden Vogelscheuche und wegen eines verklemmten Flittchens noch lange nicht aufstecken müsse. Er war schon beim dritten Magenbitter – die Säuernis würde er nicht los, aber die Spannkraft könnte er wieder finden, Hannelore hereinlegen und Sabine vergessen. Er war als Linsenbusch gestorben, und er würde in ein paar Tagen auch als Nareike von der Bildfläche verschwinden und sich in Übersee eine neue Identität aufbauen. Keine deutsche mehr, wo diese Lumpen nach 17 Jahren noch einen verdienten Gnadentodprofessor in den Tod hetzten.
»Du kommst also nicht vor heute Abend zurück?«
»Aber was ist denn mit dir los, Gute?« fragte er besorgt. »Wir haben doch alles eingehend besprochen.«
»Von wo rufst du an?« fragte sie, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
»Essen«, antwortete Nareike. »Ich will doch vor dem Wochenende noch diese Notariatsgeschichte durchziehen. Hast du denn das alles vergessen?«
»Ehrlich gesagt, ich hatte einen Schwips. Du weißt ja, ich bin das Trinken nicht so gewohnt wie du. Du kommst also erst Freitag abend?«
»Ja«, versprach er. »Und dann fahren wir zusammen nach Dingsbach.«
»Dingsbach?« unterbrach ihn Hannelore erfreut.
»– und bleiben dort, bis diese Behördensache in Rosenheim rechtskräftig ist. Einverstanden?«
»Und ob«, entgegnete sie.
Werner Nareike brachte ein schnalzendes Geräusch zusammen und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
Er hatte vorsorglich einen Platz in der Mittagsmaschine Stuttgart-Zürich gebucht, und das hieße, daß er um 13 Uhr alle Brücken – auch die zu Sabine – abbrechen würde. In einer Stunde. Er brauchte nicht auf die Uhr zu schauen: Der Aschenbecher rechnete ihm die Zeit vor, die Stunde zu einem Dutzend Kippen.
Verlängern würde er nicht. Auf keinen Fall. Wenn er noch eine Chance haben wollte, müßte er exakt bei seinem Zeitplan bleiben, und das hieße, daß er am Freitag als erster Besucher auf dem argentinischen Konsulat in Zürich sich ein Visum nach Argentinien auf den Namen Schaffranzky beschaffen, dann mit dem TEE nach Süden, von hier mit einem Leihwagen zur Bank nach Locarno und möglichst noch am gleichen Tag zurück nach Zürich fahren müßte. Schaffte er es, begänne am Sonnabend Mittag sein Höhenflug, und nach ihm die Sintflut, beziehungsweise Hannelore. In Buenos Aires würde er sich einen neuen Namen und einen neuen Paß zulegen und sich nach einem sonnigen Asyl umsehen, kein Problem für einen Mann, der Taschen voll Geld mitbringt.
Nareike verlängerte die Zeit doch noch. Zweimal.
Er stand vor dem Hotel und hielt Ausschau nach einem weißen Porsche. Er konnte nicht begreifen, daß er sich verrechnet haben sollte mit seiner Meinung, daß alle Menschen käuflich wären und nur die Summe den Charakter bestimme.
Er ging in das Hotel zurück. Als er endgültig aufgeben wollte, fuhr ein weißer Porsche am Portal vor.
Sabine trug ein chices Reisekostüm, und der Kofferset, den der Boy übernahm, roch noch neu, war modisch und teuer. Die Blondine betrat die Hotelhalle und sah den großen, hageren Mann, der sich sofort aus einem Sessel erhob. Erfreut stellte sie fest, daß sie der Peinlichkeit enthoben war, sich beim Empfang für Frau Nareike ausgeben zu müssen.
»Das Gepäck kannst du gleich in deinen Wagen zurückbringen lassen«, sagte er und hängte sich bei Sabine ein. »Wir reisen sofort weiter. Hoffentlich bist du nicht zu müde. Übrigens siehst du prächtig aus.« Er ging auf den Porsche zu: »Zufrieden mit dem Wagen?« fragte er. »Darf ich ihn mal fahren?«
»Wenn du willst«, erwiderte sie.
Nareike schloß das Fenster bis auf einen Spalt, um Sabine vor Zugluft zu schützen. Er fuhr schnell und zügig durch die brodelnde Neckarstadt. »Ich habe schon befürchtet, daß du mich versetzen würdest«, sagte er.
»Ich hatte es vor«, erwiderte Sabine.
»Hauptsache, du bist da.«
»Es stand auf Spitz und Knopf«, fuhr sie fort. »Es war eine Entscheidung 50 zu 50.«
»Na, na«,
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