Heisses Gold im Silbersee - Duell im Morgengrauen - Schüsse aus der Rosenhecke
daraus
gearbeitet.“
„Künstlich
gealtertes Holz? Wie funktioniert das?“
„Nun, altes
Holz ist wurmstichig. Also hat man die Wurmlöcher hineingeschossen. Mit
Schrotflinten. Aber damit war nicht lange Betrug zu machen. Die schlauen Kunden
sahen den Unterschied. Echte Wurmlöcher sind nämlich scharfkantig und von
unterschiedlicher Größe. Schrotkugeln hinterlassen dagegen weiche
Einquetschungen von immer demselben Durchmesser. Außerdem verläuft der
Schrotgang geradlinig, während ein Holzwurm in Kurven frißt
„Täte ich
auch“, sagte Klößchen dazwischen, „wenn ich ein Schokoladenwurm wäre und durch
einen Berg Schokolade durch müßte.“
„Pst!“
zischte Gaby ihn an. „Ruhe, du Kakao-Raupe!“ Und zu Doris: „Wenn es so also
nicht geht — wie wird dann gefälscht?“
„Mit echtem
Altholz“, erklärte Doris. Sie hatte Zeit. Kein Kunde kam. Sie zündete eine
Zigarette an und blies Rauch durch den Mundwinkel.
„Echtes
Altholz“, nickte Gaby. „Aha! Ist irre interessant, nicht wahr? Findet ihr doch
auch. Und woher kriegen die Holzwurm-Mafiosi echtes Altholz?“
Wie sie
sich für die Holzwürmer interessiert, dachte Tim erstaunt. In Biologie ist doch
zur Zeit was ganz anderes dran. Und so toll sind diese seltsamen Kostgänger nun
auch wieder nicht. Seltsam! Aber Pfote hat bestimmt einen Hintergedanken.
„Das ist
so“, sagte Doris: „Viele Händler restaurieren (ausbessern, wiederherstellen) auch. Denn wenn an einem echten, alten Möbelstück etwas kaputt ist, wird es
deshalb nicht weggeworfen, sondern repariert — will sagen: restauriert. Als
Regel gilt: Wenn nicht mehr als 15 Prozent der Holzmasse erneuert wurde, ist
ein Stück noch echt. Zum Erneuern und Ausbessern nimmt man nun nicht etwa eine
Bohle vom nächsten Sägewerk, sondern möglichst altes Holz. Deshalb hat jeder
Restaurateur einen Bestand von alten, aber wertlosen Möbeln. Dem entnimmt er
altes, verwurmtes Holz und paßt dieses Fremdstück in ein erneuerungsbedürftiges
Möbel ein. Soweit so gut. Das ist, wie gesagt, keine Fälschung. Aber die
Ganoven gehen einen anderen Weg. Sie bauen aus altem und uraltem Holz sehr
geschickt antike Möbel nach. Und verkaufen sie dann für ein Schweinegeld. Vor
keiner Stilperiode schrecken sie zurück. Aus jeder kann man Möbel kaufen,
gefälschte. Sicherlich kennt ihr die Stilperioden aus dem Kunstunterricht. Es
beginnt um das Jahr 1400 mit der Gotik, dann folgen Renaissance, Barock,
Rokoko, Klassizismus und Eklektizismus: ein halbes Jahrtausend verschiedener Stile.
Die Holzwurm-Mafiosi bauen alle nach.“
„Unerhört!“
erboste sich Gaby. „Die Tischler, Schreiner und Möbelmacher der vergangenen
Jahrhunderte würden sich im Grabe umdrehen — wüßten sie, was jetzt läuft.“
„Ich
verstehe die ganze Aufregung nicht“, mischte Klößchen sich ein. „Wie sagt der
kluge Möbelkäufer: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Wenn ich also
einen gotischen Schreib- oder Cocktailtisch habe aus dem Jahre 1401 — und er
mir gefällt, dann bin ich happy damit. Und es wäre eine Gemeinheit, wenn einer
käme und mir bewiese: Ätsch! Der wurde ja erst voriges Jahr gebaut. Überhaupt
frage ich mich: Warum sollte mir das Möbel plötzlich nicht mehr gefallen?“
Doris
lächelte säuerlich.
„Weißt du“,
erklärte sie, „wer Antiquitäten und Kunstwerke kauft, dem geht es nicht um die
Nützlichkeit. Da täte es auch jeder Tisch aus dem Versandhaus-Katalog zum
Schleuderpreis. Bei einem jahrhundertealten Möbelstück zählt was anderes. Es
ist doch geradezu umschwebt von seiner Geschichte. Von Geheimnissen. Von dem,
was es erlebt hat. Denk nur an die vielen Menschen, die damit umgingen. Und
jetzt bist du das vorläufige Endglied in der langen Kette der Besitzer. An so
einem Tisch schmeckt jedes Essen ganz anders. Und in so einem Schrank wird
sogar... aus deinen Unterhosen was Besonderes.“
Alle
lachten.
Klößchen
sagte: „Ich verstehe, was Sie meinen. Auf das Bewußtsein kommt es an. Na ja, in
unserer Internatsbude Adlernest ist auch alles sehr alt — besonders mein
Schrank. Aber meine Unterhosen hat er nicht verändert.“
Gaby bremste
ihre Ungeduld nicht länger.
Sie hatte
noch was auf dem Herzen.
„Wir sind
schon eine Weile hier“, sagte sie, „haben uns die Ausstellung angesehen. Möbel
werden kaum angeboten. Weshalb nicht?“
„Weil zu
wenig Platz zur Verfügung steht. Das führende Geschäft für antiquarische Möbel
ist die Firma Wilhelm Duttweiler, wie du
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