Heißes Versprechen
Erbe. Es wäre eine Schande, ihn in einem Duell um die Ehre meiner Nichte zu verlieren, nicht wahr?«
Jetzt war es Lady Standish, der es die Sprache verschlagen hatte. Entsetzen war in ihren eiskalten Augen zu lesen. »Nun, ich hätte niemals gedacht...«
Sie drehte sich schnaubend um und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Menge.
Madeline hatte endlich ihre Sprache wiedergefunden und fragte Bernice verdattert: »Worum ging es denn hier? Erzähl mir bloß nicht, dass Hunt tatsächlich all jene zum Duell herausfordern möchte, die meine Ehre beleidigen?«
»Nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest, meine Liebe. Kein Mensch wird derart töricht sein.«
»Davon spreche ich doch gar nicht.« Madeline konnte nun ihre Wut und Panik kaum noch beherrschen. »Großer Gott, ich darf Hunt nicht gestatten, seinen Kragen auf solch lächerliche Art und Weise zu riskieren. Weshalb hat mir niemand von der Wette in den Wettbüchern erzählt?«
»Ich wusste, dass es dich nur verstören würde, meine Liebe.« Bernice tätschelte ihr die Hand. »In letzter Zeit hattest du auch so schon ausreichend Sorgen.«
»Woher weißt du denn darüber Bescheid?«
»Herr Leggett hat es wohl mir gegenüber erwähnt«, meinte Bernice fröhlich.
»Ich werde ein Wort mit ihm über diese Angelegenheit wechseln müssen.« Madeline kochte jetzt vor Wut.
»Mit Herrn Leggett?«
»Nicht doch!« Madeline kniff die Augen zusammen. »Mit Artemas.«
Just als Artemas die letzte Schublade von Clays Schreibtisch durchsucht hatte, hörte er einen Schlüssel in der Tür. Schnell löschte er die Kerze und trat hinter einen der schweren Samtvorhänge, die vor dem hohen Fenster hingen.
Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Jemand betrat die Bibliothek. Artemas sah das Flackern einer Kerze, konnte jedoch niemanden erkennen.
»Ach hier bist du, Alfred«, ertönte eine Stimme auf dem Flur. »In der Küche suchen sie schon alle nach dir.«
»Sag ihnen, ich bin gleich da. Doch erst muss ich noch meine Runden drehen. Du weißt doch, wie sehr die Herrschaft seit dem Einbruch darauf drängt, ein Auge auf die Wertsachen zu halten. Heute Abend soll ich sogar besonders wachsam sein, weil das Haus voller Leute ist.«
»Nun denn. Als Einbruch würde ich es allerdings kaum bezeichnen. Das Einzige, was gestohlen wurde, war ein Gefäß mit Kräutern, die er letzten Monat aus dem Arzneimittelhandel geholt hat. Keine große Sache, wenn du mich fragst.«
»Niemand fragt dich, George.«
Das beantwortete zumindest die dringlichste Frage des Abends, dachte Artemas. Dann lauschte er, wie die Tür hinter den beiden Bediensteten geschlossen wurde. Die Schlafkräuter waren also entwendet worden. Ohne Zweifel ein mitternächtlicher Besuch des geheimnisvollen Gespenstes. Lord Clay war offenbar nicht in die Sache verwickelt.
Artemas trat hinter der Gardine hervor. Er verließ die Bibliothek und ging den Flur zur Treppe hinunter. Ein paar Minuten später schlenderte er durch den vollen Ballsaal auf Bernice und Madeline zu.
Etwas von der Enttäuschung, dass er in Clays Bibliothek nichts Nützliches hatte ausfindig machen können, verflog bei Madelines Anblick. Sie sah hinreißend aus, dachte er. Sie stellte alle anderen Frauen in den Schatten, nicht weil sie die schönste, sondern weil sie seiner Meinung nach die anziehendste aller anwesenden Frauen war.
Während er sich ihr näherte, konnte er die Augen nicht von ihr abwenden. Er hatte sich in diesem bestimmten Gelbton nicht geirrt, dachte er. Sonnengelb stand ihr ausgezeichnet.
»Guten Abend, die Damen«, grüßte er, als er neben Madeline stand. »Amüsieren wir uns alle gut?«
Madeline fuhr herum. Überrascht stellte er fest, dass ihre Augen wütend blitzten.
»Wie können Sie nur etwas derart Törichtes tun«, zischte sie ohne Umschweife. »Was in aller Welt haben Sie sich dabei gedacht? Besitzen Sie denn kein bisschen Vernunft mehr? Weshalb haben Sie etwas so Borniertes getan?«
Verblüfft und Hilfe suchend schaute Artemas Bernice an.
Diese hob lediglich die Augenbrauen, zuckte kaum merklich mit den Schultern und wandte sich scheinbar interessiert wieder den Tänzern zu. Er war ganz auf sich selbst gestellt.
Er blickte in Madelines vor Zorn funkelnde Augen. »Äh ...«
»Haben Sie geglaubt, mir würde die Wahrheit nicht zu Ohren kommen?«
»Nun ...«
»Ich fasse es nicht.«
»Was denn?«, erkundigte er sich vorsichtig. »Wenn es sich um meine Durchsuchung von Clays Arbeitszimmer handelt, so hatten Sie
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