Heißes Versprechen
gewesen, weswegen sie erwogen hatte, die Trauer für ihren Vater hinter sich zu lassen.
Es war Artemas’ Idee gewesen, sich die übervolle Villa der Clays heute Abend zunutze zu machen. Eine ausgezeichnete Gelegenheit, das Arbeitszimmer des Lords zu durchsuchen, hatte Artemas dargelegt. Sie mussten herausfinden, was Clay mit der großen Menge einschläfernder Kräuter aus der Arzneimittelhandlung Moss angefangen hatte.
Mit Unbehagen blickte Madeline auf die große Treppe.Vor einer halben Stunde bereits war Artemas verschwunden, um seinen heimlichen Erkundungen nachzugehen. Seither hatten sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen.
»Er ist schon recht lange weg«, raunte sie Bernice zu. »Sicher gibt es keinen Anlass zur Sorge. Hunt ist viel zu schlau, um sich beim Durchsuchen von Clays Arbeitszimmer erwischen zu lassen.«
»Ich machte mir keine Sorgen, dass er sich erwischen lassen könnte. Es ärgert mich lediglich, dass er heute den leichteren Teil der Aufgabe erledigen darf. Mir hat er den schwierigeren Teil überlassen.«
»Wovon in aller Welt redest du?«
»Ist das nicht offensichtlich? Ich bin diejenige, die all die Blicke und verstohlenen Kommentare ertragen muss. Ist dir bei unserem Eintreten in den Ballsaal nicht aufgefallen, wie Bewegung in die Gesellschaft gekommen ist? Sicher haben
diese Leute nichts Besseres zu tun, als über die Tatsache zu tratschen, dass Artemas Hunt heute in Begleitung der Verruchten Witwe erschienen ist.«
Bernice kicherte. »Damit hast du sicherlich Recht, meine Liebe. Niemand hier hat etwas Besseres zu tun, als genau darüber zu reden. Deine Verbindung mit Hunt ist offenbar die neueste Klatschmeldung in der Stadt.«
»Ich komme mir wie eine Attraktion in den Vergnügungspavillons vor. Ich sollte von den Leuten Eintrittsgeld verlangen.«
»Sachte, sachte, so schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
»Und ob es das ist. Viel lieber würde ich Clays Arbeitszimmer durchsuchen. Es würde Artemas recht geschehen, wenn er all die neugierigen Blicke würde aushalten müssen.«
»Die Gesellschaft wird schnell eines neuen Gerüchtes müde«, versicherte ihr Bernice. »Die Neuigkeit, dass du mit Hunt etwas zu tun hast, wird schon bald nicht mehr aufregend sein.«
»Hoffen wir nur, dass deine Meinung auch die ihre ist.«
»Bernice.« Die fremde Stimme täuschte Überraschung vor. »Wie schön, Sie wieder zu sehen. Es ist lange her.«
Madeline wandte sich um und sah sich einer Dame in mittleren Jahren gegenüber, in einem rosa Seidenkleid, die sie durch eine Lorgnette hindurch musterte.
»Und Sie sind Frau Deveridge, nicht wahr?«
Madeline war die Frau spontan von Herzen unsympathisch. »Sind wir schon einander vorgestellt worden, gnädige Frau?«
»Ihre Tante kann sich um die Formalitäten kümmern. Wir sind einander bekannt.«
»Lady Standish«, murmelte Bernice. »Erlauben Sie mir, Ihnen meine Nicht vorzustellen, Madeline.«
»Die Verruchte Witwe.« Lady Standishs Augen glänzten
wie nasse Kieselsteine. »Hunts Mut muss man wirklich bewundern, eine Dame Ihrer Reputation in dieses Haus mitzubringen.«
Diese Unverschämtheit verschlug Madeline die Sprache.
Bernice jedoch konnte das ihre Schlagfertigkeit nicht rauben. »Artemas Hunt gehört sicherlich nicht zu den gewöhnlichen, verzagten Gentlemen«, flötete Bernice. »Anders als Ihr Sohn Endikott, der eher eine etwas einschläfernde Gesellschaft zu bevorzugen scheint, besitzt Hunt den Hang zu Intelligenz und gutem Stil.«
Lady Standishs Lächeln wurde dünn und gemein. »Aber, aber, meine liebe Frau Deveridge, wissen Sie denn nicht, dass Ihr Name in eines jeden Gentlemans Wettbuch verzeichnet ist? Es steht eine Summe von tausend Pfund für den Mann aus, der eine Nacht mit Ihnen überlebt. Wie ich annehme, hat sich Hunt seinen Gewinn bereits abgeholt.«
Madeline stockte der Atem.
»Aber machen Sie sich keine Sorgen«, fuhr Lady Standish fort. »Vielleicht können Sie ihn ja dazu überreden, den Gewinn mit Ihnen zu teilen.«
Madeline war endgültig sprachlos.
Ganz anders Bernice. Sie maß Lady Standish mit dem kühlen Interesse eines Generals, der auf dem Kampffeld seinen Gegner einzuschätzen versuchte. »Offenbar ist es Ihnen noch nicht zu Ohren gekommen, dass unser Gastgeber in seinem Club all jene zu einem Duell herausfordern wird, die den Namen meiner Nichte auf eine Art benutzen, die Hunt als beleidigend empfindet. Es wäre wohl geraten, den jungen Endikott zu warnen. Wie ich mich entsinne, ist er Ihr einziger
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