Heisskalte Glut
sie mit dem Zettel ins Haus
und verschloß ihn in ihrem Schreibtisch. Dabei berührte sie nur so viel von
dem Stück Papier, wie unbedingt nötig. Bisher hatte die Sache noch nicht die
Ausmaße, daß man die Polizei verständigen müßte. Aber sollte sie noch eine
derartige Warnung bekom men, wollte sie beide als Beweismittel
vorlegen können. Auf den Sheriff war sie ohnehin nicht besonders erpicht. Sie
erinnerte sich noch an ihn, wie er mit fleischigen, verschränkten Armen seinen
Untergebenen dabei zusah, wie sie die Baracke der Devlins ausräumten. Sheriff
Deese war ganz und gar auf Grays Seite gewesen. Es stellte sich also die Frage,
ob er gegen eine an sie gerichtete Morddrohung überhaupt etwas unternehmen
würde.
Nachdem sie den Zettel gut weggeschlossen hatte, fuhr sie in die
Stadt. Sie hatte ihre Vorgehensweise gestern nacht ausgearbeitet, als sie
schlaflos im Bett gelegen hatte. Sie würde Mrs. Foster nicht vorher telefonisch
benachrichtigen, damit diese gar nicht erst einer persönlichen Begegnung aus
dem Weg gehen konnte. Ein überraschender Besuch von Angesicht zu Angesicht war
viel besser. Dann konnte sie ihre Fragen stellen, noch ehe sich Yolanda von dem
Schrecken erholt hatte.
Sie kannte die Privatadresse der Fosters
nicht, und die im Telefonbuch angegebene Anschrift war ihr nicht geläufig. Ihr
erstes Ziel war deshalb die Stadtbibliothek. Zu ihrer Enttäuschung saß nicht
die leutselige Carlene DuBois hinter der Theke. Statt dessen hockte dort eine
kühle kleine Blondine, die wohl frisch von der Schulbank kam. Sie kaute
Kaugummi und blätterte ein Musikmagazin durch. Was war nur aus dem Stereotyp
der Bibliothekarin mit strengem Haarknoten geworden, die auf ihrer schmalen
Nase eine Lesebrille trug? Der kaugummikauende Rockfan jedenfalls war keine
Verbesserung.
Faith schätzte die kleine Bibliothekarin auf
kaum vier oder fünf Jahre jünger als sich selbst. Dennoch gehörte sie seelisch
und emotional einer anderen Generation an. Sie selbst war niemals so jung
gewesen, wie das Mädchen es immer noch war, doch das empfand sie eigentlich
nicht als Nachteil. Sie hatte schon in jungen Jahren Verantwortung tragen
müssen. Sie erinnerte sich daran, wie sie schon am Herd stand, als die eiserne Bratpfanne noch viel zu schwer für sie war, und sie auf einen
Stuhl klettern mußte, um die Bohnen umzurühren. Sie hatte mit einem Besen
gefegt, der fast doppelt so groß gewesen war wie sie selbst. Und sie hatte auf
Scottie aufpassen müssen, was von all ihren Aufgaben die meiste Verantwortung
forderte. Nach dem Schulabschluß war sie auf das Leben vorbereitet gewesen,
anders als die Kinder, die sich niemals um etwas hatten kümmern müssen und
sich folglich überhaupt nicht zurechtfanden. Diese 'Kinder' rannten auch mit
fünfundzwanzig Jahren immer noch zu ihren Eltern.
Das Mädchen schaute von ihrer Zeitschrift auf und verzog ihre
grellpinken Lippen zu einem routinierten Lächeln. Ihre Augen waren so stark
umrandet, daß sie wie Mandeln aussahen, die in eine Kohlegrube gefallen waren.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Dem Tonfall nach war sie immerhin kompetent, dachte Faith
erleichtert. Vielleicht hatte das Mädchen ja gerade eine ihrer intensiven
Schminkphasen. »Haben Sie eine Karte von der Stadt oder der ganzen Gemeinde?«
»Natürlich.« Sie führte Faith zu einem Tisch, auf dem ein großer
Globus stand. »Hier sind alle Atlanten und Pläne. Sie werden jährlich auf den
neusten Stand gebracht. Wenn Sie also eine ältere Karte benötigen, müssen Sie
das Archiv benutzen.«
»Nein, ich brauche nur die aktuelle Karte.«
»Bitte sehr.« Das Mädchen zog einen unglaublich dicken Wälzer
hervor, den sie jedoch mit Leichtigkeit handhabte. »Wir müssen die Karten in
Plastik verschweißen und dann in dieses Buch heften«, erklärte sie. »Sonst
werden sie gestohlen.«
Faith lächelte, als das Mädchen sich wieder abwandte. Diese
Verfahrensweise leuchtete ihr ein. Eine Karte zusammenzufalten und damit den
Raum zu verlassen war eine Sache, aber ein riesiges plastikverschweißtes Ding
hinauszuschmuggeln eine ganz andere.
Sie wußte nicht, ob die Fosters in der Stadt oder etwas außerhalb
wohnten. Zunächst schaute sie also auf den Stadtplan und fuhr mit dem Finger
das Straßenverzeichnis ab. Richtig! Sie merkte sich die Koordinaten und fand
schnell Meadowlark Drive, eine Siedlung, die es zu ihrer Zeit noch nicht
gegeben hatte. Sie merkte sich den Weg, legte die Karte zurück und verließ die
Bibliothek. Die
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