Heisskalte Glut
nicht aufhören, mich mit Guy zu
treffen. Wir haben uns mindestens einmal in der Woche gesehen, wenn es sich
irgendwie einrichten ließ. Dann verschwand er.« Sie blickte zu Faith auf, als
ob sie die Wirkung ihrer nun folgenden Worte beobachten wollte. »Mit Ihrer
Mutter. Als ich das hörte, habe ich eine ganze Woche lang geweint. Danach habe
ich Lowell davon erzählt.«
»Natürlich war er fuchsteufelswild. Er hat herumgebrüllt und mir
mit der Scheidung gedroht. Ich saß nur da und habe ihn beobachtet, habe aber
nichts gesagt. Das hat ihn natürlich nur noch wütender gemacht. Dann habe ich
gesagt: »Du solltest immer darauf achten, daß du hinterher deine Unterhose
richtig herum wieder anziehst.« Mit offenem Mund starrte er mich an. Jetzt
wußte er, daß ich ihm auf die Schliche gekommen war. Ich bin aufgestanden und
habe das Zimmer verlassen. Etwa eine halbe Stunde später folgte er mir weinend.
Wir haben uns dann versöhnt«, sagte sie schnell. »Soweit ich weiß, war er mir
nie wieder untreu.«
»Haben Sie jemals wieder von Guy gehört?«
Yolanda schüttelte langsam den Kopf. »Anfangs hatte ich darauf
gehofft, aber nein, er hat weder geschrieben noch angerufen.« Ihre Lippen
zitterten, als sie Faith verzweifelt anblickte. »Mein Gott«, flüsterte sie.
»Ich habe ihn so sehr geliebt.«
Wieder eine
Sackgasse, dachte Faith auf der Fahrt nach Hause. Yolanda zufolge hatte ihr
Mann erst von ihrer Affäre mit Guy erfahren, als der bereits verschwunden war.
Lowell kam also nicht in Frage. Yolanda war viel zu offen gewesen, hatte offensichtlich
nicht im entferntesten daran gedacht, daß Guy ermordet worden sein konnte. Es
war auch keine Frage für sie gewesen, ob sie sich Faith gegenüber offenbaren
sollte. Statt dessen hatte sie sich an Faiths Händen festgeklammert und den
Mann beweint, den sie vor zwölf Jahren zum letzten Mal gesehen
und mit dem sie einen leidenschaftlichen Sommer verbracht hatte.
Schließlich hatte sich Yolanda wieder gefangen
und war peinlich berührt gewesen. »Himmel, die Zeit. Ich werde mich verspäten.
Und es ist mir ja so unangenehm, daß ich einer Fremden gegenüber ...« Erst
jetzt war ihr klar geworden, was sie alles erzählt hatte. Sie hatte Faith starr
vor Entsetzen angeblickt.
Faith spürte, daß sie Yolanda trösten mußte. Sie berührte ihre
Schulter und sagte: »Sie mußten sich einmal aussprechen. Ich verstehe das. Und
ich verspreche Ihnen, daß ich darüber stillschweigen werde.«
Nach einem kurzen, angespannten Moment sagte Yolanda: »Ich
vertraue Ihnen. Ich weiß nicht warum, aber es ist so.«
Jetzt hatte Faith also keinerlei Verdächtige
oder Hinweise mehr. Nicht daß da jemals irgendein konkreter Anhaltspunkt
gewesen wäre. Was sie hatte, waren Fragen. Und irgend jemanden störten diese
Fragen. Der Beweis dafür war der Zettel, den sie am Morgen gefunden hatte. Ob
der nun der Beweis für ein schlechtes Gewissen war oder nicht, konnte sie nicht
sagen. Auch wußte sie nicht zu sagen, was sie, außer weiter Fragen zu stellen,
noch tun konnte. Früher oder später würde jemand reagieren.
Wenn sie sich auf diese Weise beschäftigt hielt, würde sie
vielleicht nicht an Gray denken.
Die Theorie ließ sich jedoch nur schwerlich in die Praxis
übertragen. Sie hatte seit dem letzten Nachmittag ganz bewußt vermieden, weiter
über ihn nachzudenken. Die Signale ihres unruhigen Körpers hatte sie mißachtet
und nicht mehr an das gedacht, was zwischen ihnen vorgefallen war. Aber trotz
ihrer Willenskraft strafte sie ihr Unterbewußtes Lügen. Denn er war in ihren
Träumen aufgetaucht, und als sie frühmorgens aufgewacht war, hatte sie sich
nach ihm ausgestreckt. Der Traum war so realistisch gewesen, daß sie vor
enttäuschter Sehnsucht geschrien hatte.
Sie hatte ihm keinerlei Widerstand mehr zu
bieten, das mußte sie nun einfach zugeben. Wenn er nicht diese verhängnisvollen
Worte gesprochen hätte, dann hätte sie sich ihm auf der Wiese hingegeben. Ihre
moralischen Ansprüche lösten sich in Luft auf, wenn er sie in seine Arme nahm.
Es waren nur noch Papiertiger, die er mit seinem ersten Kuß bereits besiegte.
Während sie mehr und mehr Personen von ihrer
Liste der Verdächtigen strich, verlagerte sich der Verdacht immer weiter auf
Gray. Vernünftig betrachtet war es durchaus möglich, daß er seinen Vater
beiseite geschafft hatte. Aber von ihrem Gefühl her konnte sie den Gedanken
überhaupt nicht akzeptieren. Nicht Gray. Nicht Gray! Sie konnte es
einfach nicht glauben, und
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