Heisskalte Glut
dem sie finanziell abhing, war vor ihren
Augen erschossen worden. Und dann hatte man ihr auch noch gedroht, sie für den
Mord zu belangen. Der Killer hatte sie wirklich geschickt geknebelt, denn unter
keinen Umständen würde Renee zur Polizei gehen. Sie hätte ihm alles geglaubt,
und vermutlich sogar zu recht.
»Ist schon gut, Mama«, sagte sie leise. »Ist
schon gut.«
»Du ... du wirst nichts sagen? Es muß unser
Geheimnis bleiben, sonst läßt er mich verhaften. Ich weiß, daß er es tun wird.«
»Ich werde dich von niemandem verhaften lassen, das verspreche
ich dir. Weißt du, was er mit der Leiche gemacht hat?«
Renee bekam einen Schluckauf, so überrascht
war sie. »Seine Leiche?« fragte sie abwesend. »Ich nehme an, daß er sie irgendwo
verscharrt hat.« Das war schon möglich, aber würde ein Mörder soviel Zeit
verschwendet und ein Grab gegraben haben? Ein Grab, auf das man hätte
aufmerksam werden können? Und das, wo doch der See gleich daneben lag? Man
mußte den Körper nur mit einem Gewicht beschweren, und das Problem der Leiche
war gelöst.
»Was für eine Waffe hat er benutzt? Hast du das erkennen können?«
»Ich habe keine Ahnung von Waffen. Es war eine Pistole, mehr kann
ich dir nicht sagen.«
»War es ein Revolver, so wie in den Western, mit der Patronenkammer,
wo die Kugeln hineinpassen? Oder hatte sie einen Abzug im Griff?«
»Ja, genau, einen Abzug im Griff«, sagte Renee, nachdem sie einen
Augenblick überlegt hatte.
Eine automatische. Das bedeutete, daß die
Patronenhülse sich gelöst hatte und irgendwo im Bootshaus herumliegen mußte.
Der Mörder mußte sich um die Leiche kümmern und die Zeugin zur Flucht
überreden. Hatte er dann noch an die Hülse gedacht, war zurückgekommen und
hatte sie aufgehoben?
Welche Aussichten hatte sie, daß sich eine
Patronenhülse nach zwölf Jahren immer noch dort befand? Nur äußerst geringe.
Aber nach Guys Verschwinden war der Ort nur noch selten benutzt worden, das
Bootshaus war also sicherlich nur den nötigsten Aufräumaktionen ausgesetzt
gewesen. Die Hülse konnte in das Boot gefallen sein, oder sogar ins Wasser, wo
sie auf immer und ewig verloren wäre.
Sie konnte aber auch in einer Ecke gelandet
sein.
»Bitte laß die Sache ruhen«, bettelte Renee.
»Bitte. Du hättest nicht dorthin zurückziehen sollen, denn jetzt ist er dir
hinterher. Geh fort, bevor dir etwas zustößt. Du kennst ihn nicht!«
»Wer ist er denn, Mama? Vielleicht kann ich ja etwas unternehmen
...«
Renee unterbrach die Verbindung mitten in einem Weinkrampf. Faith
legte langsam den Hörer auf. Heute nacht hatte sie so viel erfahren, und doch
war es immer noch nicht genug. Das Wichtigste jedoch war, daß sie Grays
Unschuld jetzt sicher sein konnte. Und am schlimmsten fand sie, daß sie immer
noch nicht herausgefunden hatte, wer der Schuldige war.
Der Mörder war ein 'er'. Damit entfielen
Andrea Wallice und Yolanda Foster, von deren Unschuld Faith ohnehin überzeugt
war. Lowell Foster hatte zwar erst später von der Liebschaft seiner Frau mit
Guy erfahren, aber so wie sich der Klatsch in diesem Nest ausbreitete, wäre es
durchaus möglich, daß ein Übereifriger sich erboten hatte, den gehörnten
Ehemann zu informieren. Daß der gehörnte Ehemann derweil mit seiner Sekretärin
schlief, tat nichts zur Sache. Lowell mußte also weiter auf ihrer Liste
bleiben.
Wer aber hätte sich in jener Nacht mit Guy streiten sollen und
warum? Ein aufgebrachter Geschäftspartner? uys Persönlichkeit nach zu urteilen
war ein betrogener Ehemann jedoch wahrscheinlicher. Mit wem hatte er in dem
besagten Sommer denn noch geschlafen?
Die Antworten auf diese Fragen konnte Faith an diesem Abend nicht
mehr finden. Sie konnte jedoch selbst feststellen, ob eine lose Patronenhülse
irgendwo in dem Bootshaus herumlag. Sie blickte auf die Uhr. Es war halb zehn.
Für ein solches Vorhaben war nachts die beste Zeit. Die Chance, Gray in die
Arme zu laufen, war dann viel geringer als am Tage.
Faith gehörte nicht zu denen, die eine einmal gefällte Entscheidung
hinauszögerten. Diesmal jedoch ließ sie sich immerhin genügend Zeit, um sich
festeres Schuhwerk anzuziehen. Auf dem Weg zur Haustür griff sie noch nach
einer Taschenlampe.
Sie wollte gerade nach rechts in die kleine Privatstraße einbiegen,
die zum Sommerhaus führte, als sie in letzter Minute ihre Meinung änderte.
Jemand konnte sie dabei beobachten und die Rouillards alarmieren, und das
wollte sie unbedingt vermeiden. Wenn sie das
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