Heisskalte Glut
nicht sagen ...«
»Mama, bitte.« Verzweifelt suchte Faith nach
einem Grund, der auch Renee einleuchten würde. Es wäre einiges vonnöten, um den
Egoismus ihrer Mutter zu bezwingen, und in diesem Fall konnte Faith es ihr gar
nicht verübeln, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnahm. Was aber immer schon
ihre Egozentrik überragt hatte, war ihre Habgier. »Mama, hier in der Stadt
glaubt man, daß Guy noch am Leben ist. Er ist nicht für tot erklärt worden,
also hat man sein Testament auch noch nicht verlesen.«
Renee schniefte, aber das Wort 'Testament' ließ sie aufmerken.
»Ja und?«
»Wenn er dir etwas hinterlassen haben sollte, dann wäre es in
seinem Testament. Du hättest all die vergangenen Jahre schon viel Geld haben
können.«
»Er hat immer gesagt, daß er mich versorgen würde.« Ein
weinerlicher, selbstmitleidiger Tonfall schlich sich in Renees Stimme. Sie
atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Faith konnte fast hören, wie sie ihre
Entscheidung fällte.
»Wir haben uns wie immer im Sommerhaus
getroffen«, sagte sie. »Wir hatten schon ... na, du weißt schon. Hatten es
schon getan. Jedenfalls lagen wir zusammen im Dunklen, als er vorfuhr. Wir
wußten nicht, wer es war. Guy sprang auf und zog sich die Hosen über, denn er
hatte Angst, es sei eines seiner Kinder. Wegen seiner Frau hätte er sich
keinerlei Gedanken gemacht, denn er wußte, daß es ihr gleichgültig war.
Sie gingen in das Bootshaus, um zu reden. Ich
hörte, wie sie sich anbrüllten, habe mich also auch angezogen und bin dorthin
gegangen. Gerade als ich ankam, öffnete Guy die Tür. Er hielt inne und drehte
sich um. Ich werde niemals vergessen, was er gesagt hat. Er sagte: »Ich stehe
zu meiner Entscheidung.« In dem Augenblick knallte der Schuß und traf ihn
direkt in den Kopf. Er fiel vor dem Bootshaus ins Gras. Ich fiel neben ihm auf
die Knie und schrie und weinte, aber er war schon tot, noch bevor er den Boden
berührte. Er hat noch nicht einmal gezuckt.«
»War es Gray?« brachte Faith mühsam hervor. Nein, das konnte nicht
sein. Nicht Gray. Aber sie mußte die Frage stellen. »Hat Gray seinen Vater
umgebracht?«
»Gray?« fragte Renee erstaunt. »Nein, nicht Gray. Er war gar nicht
da.«
Nicht Gray. Danke, lieber Gott. Nicht Gray. Egal wie oft sie sich
gesagt hatte, daß er es nicht gewesen sein konnte, irgendwo mußten doch noch
letzte Zweifel geblieben sein, denn jetzt fühlte sie sich augenblicklich
erleichtert.
»Mama ... Mama, niemand würde annehmen, daß du Guy umgebracht hast.
Warum bist du denn nicht zur Polizei gegangen?«
»Bist du verrückt geworden?« Renee stieß ein
scharfes Lachen aus, das sich in Tränen auflöste. »In der Stadt hätten die
Leute alles über mich geglaubt. Den meisten hätte meine Festnahme sogar
gefallen, selbst wenn sie von meiner Unschuld überzeugt gewesen wären. Außerdem
hatte er schon alles geplant ...«
»Aber du hattest doch noch nicht einmal eine
Waffe!«
»Mich wollte er auch noch umbringen! Er sagte, er würde die
Pistole in meinen Mund stecken und mit seiner Hand über meiner den Abzug
ziehen, wenn ich ihm nicht schwören würde zu verschwinden, nie wieder
zurückzukommen und niemandem gegenüber auch nur ein Wort darüber zu sagen. Er
ist stark, Faithie, stark genug, um so etwas zu tun. Ich habe versucht, mich
gegen ihn zu wehren, aber er hat mich geschlagen. Ich konnte ihn nicht
abwehren.«
»Und warum hat er dich nicht umgebracht?« fragte Faith, die sich
fragte, warum ein Mörder freiwillig eine Augenzeugin laufen ließ.
Renee konnte nicht gleich antworten, denn sie weinte hemmungslos.
Schließlich schluchzte sie auf und fand mühsam ihre Stimme wieder. »Er ... er
wollte Guy nicht erschießen. Er war bloß so
verdammt wütend, hat er damals gesagt. Er wollte mich nicht auch noch
umbringen. Er sagte, ich solle mich aus dem Staub machen. Und er hat mein
Armband behalten. Wenn ich jemals zurückkommen sollte, dann würde er es so
hindrehen, als ob ich Guy ermordet hätte. Ich würde dann die Todesstrafe
bekommen. Und das macht er auch, du kennst ihn nicht!« Ihre Stimme war am
Schluß ganz schrill, dann löste sie sich wieder in Schluchzen auf.
Faith fühlte, wie ihr die Augen brannten. Zum ersten Mal empfand
sie Mitleid mit ihrer Mutter. Arme Renee, keine Schulbildung, keinen
gesellschaftlichen Einfluß oder Freunde, ihr ganzes wildes Leben und ihre
Sorglosigkeit waren ideal für jemanden, der sie als Prellbock benutzen wollte.
Der eine Mann, den sie liebte und von
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