Heisskaltes Verlangen: Team Zero 02
Fensterbank saß, zu ihr hereinsah, seine Flügel ausbreitete.
„Schlaf schön.“
„Leb wohl, Cass.“
Dann fiel die Tür ins Schloss. Trennte sie von ihm und seinen diffusen Worten. Tief durchatmend lehnte sie sich gegen die kühle Mauer, wischte sich ihre feuchten Handflächen am Kittel ab und presste die Handballen gegen die Stirn. Wann hatte sie jemals den Eindruck gehabt, ihr spränge das Herz vor Furcht aus der Brust? In diesem Zustand war sie nicht, weil sie sich vor Ned oder seiner mächtigen Begabung fürchtete, die sie in all der Zeit, in der sie sich nun kannten, nicht erkannt hatte. Viel mehr ängstigte sie, dass Ned vermutlich niemals einer Wahnvorstellung erlegen war, sondern vor etwas Realem flüchtete. Einer Gefahr, der er sich stets bewusst sein musste. Das hieße, dass Cass es war, die den Unterschied zwischen Fantasie und Realität nicht verstanden hatte. Dieser Gedanke erschütterte sie, deshalb verdrängte sie ihn rasch.
Was auch immer das war, was sie gesehen und erlebt hatte, sie konnte sich jetzt nicht damit befassen, sonst müsste sie auch über Neds Worte nachdenken. Worte, von denen sie nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob sie von einem schizophrenen Paranoiker ausgesprochen wurden oder eben nicht. Andererseits lebte Ned schon seit vielen Jahren in der Klinik. Wie groß, wie reell konnte eine Gefahr sein, die ihn schon so lange bedrohte?
Mit einem mulmigen und dumpfen Gefühl in der Bauchgegend ging sie den Westflügel entlang, in dem in fünfzehn Zimmern Patienten untergebracht waren. Nach und nach öffnete sie leise die Türen, um sich der einzuhaltenden Nachtruhe zu vergewissern.
Am Ende des Flurs spürte sie einen leichten Windzug. Er küsste ihren Nacken. Absichtlich vermied sie es, stehen zu bleiben und sich zu überzeugen, dass sich hinter ihr nur ein leerer Flur erstreckte. Sie war kein kleines Kind mehr. Nein. Angst würde sie nicht kontrollieren. Allerdings konnte sie nicht leugnen, durch die Sache mit Ned aus dem Konzept geraten zu sein. Das Unbehagen verfolgte sie wie der Dunst, der am frühen Morgen auf den Straßen lag.
Abermals spürte sie den Hauch von Nichts über ihren Nacken tänzeln. Sie erwog, Mark anzupiepen, der drüben im Ostflügel ein Nickerchen hielt. Jedoch wollte sie sich nicht lächerlich machen, obwohl ihre Empfindungen zu einer ausgereiften Angst anwuchsen.
Eisige Finger strichen ihr Rückgrat herauf. Mit gemäßigten Atemzügen bemühte sie sich, der Panik entgegenzuwirken, die in ihr hochkochte. Es gelang nicht. Sie war der Furcht ausgeliefert, die nun ungebremst wie ein Wolkenbruch auf sie niederregnete. Abrupt blieb sie stehen. Drehte sich um. Der schwach beleuchtete Flur war leer. Lag einsam und still da.
Wovor hatte sie solche Angst? Die Glastüren waren abgeschlossen. Auch sonst konnte niemand das Gebäude betreten haben, ohne dass es bemerkt worden wäre. Bevor sie den Hauptschließmechanismus aktiviert hatte, konnte man die Tür nur mit einer Sicherheitskarte öffnen. Die Patienten durften nur zu bestimmten Zeiten das Haus verlassen. Alles wurde kontrolliert. Jeder Arzt, jeder Patient, jeder Besucher.
Sie schüttelte den Kopf und öffnete die letzte Tür dieses Flügels. Mr. Hennessey schlief. Der alte Mann lag mit dem Gesicht zu ihr, den Mund leicht geöffnet und schnarchte leise. Beinahe lächelte sie, spürte sie nicht im selben Augenblick, wie jemand auf ihre Schulter fasste. Von Sinnen riss sie die Hand vom Türknauf los. Schwenkte herum.
Nichts. Niemand.
Sie wurde verrückt. Die Angst hielt sie zum Narren. Vielleicht sollte sie sich gleich eine Stunde hinlegen. Das wäre vernünftig. Es war nicht auszuschließen, dass Übermüdung für eine lebhafte Übertreibung ihrer Einbildungskraft sorgte. Mit zitternden Händen verschloss sie die Tür.
Auch im unteren Geschoss war rasch nach dem Rechten zu sehen, so wie es die Vorschriften verlangten. Danach würde sie sich auf dem schnellsten Weg in den Pausenraum begeben. Mit Schwung nahm sie die erste Stufe.
Da hörte sie es. Ein leises Schlurfen von Füßen über den Flurteppich. Jäh stockte ihr der Atem, während sie in der Bewegung innehielt. Träges Entsetzen kroch in ihr hoch. Sie hatte den Eindruck, ihr Herz klopfte so laut, dass sie auch mit großer Anstrengung nicht intensiv genug lauschen konnte.
Wieder dieses Geräusch.
„Hallo?“
Keine Antwort. Nur eine unangenehme Stille, die in ihr widerhallte. Sie griff nach dem stählernen Treppengeländer und sauste die einzelnen
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