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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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gemacht. Aber der Weg wird uns wichtig. Die tägliche Bewegung, die Gedanken. Der Weg ist die notwendige Verbindung zwischen Aufbruch und Ziel. Aber besteht nicht der Weg, jeder Weg, aus vielen, geradezu unendlich vielen Anfängen und Zielen? Jedes Aufbrechen am Morgen und Ankommen am Abend ist Anfang und Ziel. Der Fuß wird bei jeder Vorwärtsbewegung angehoben und wieder aufgesetzt, stets Aufbruch und Ziel. Jedes Atmen. Jedes Lächeln. Aber auch Anfang und Ziel unseres Jakobusweges sind nur ein Anfang und ein Ziel auf einem viel bedeutsameren Weg: unseren Lebensweg.
    Im Tal des Dourdou liegt Villecomtal. Ich hoffe, hier einen Laden zu finden, um etwas Obst zu kaufen. Das Shampoo ist auch wieder leer. Der Laden öffnet erst in wenigen Minuten, Zeit zum Stadtrundgang. Ich biege in eine vermeintliche Seitenstraße und befinde mich zu meiner Überraschung im idyllischen Ortskern. Als ich einen schattigen Campingplatz entdecke, weiß ich: ich bleibe! Wanderstopp. Solche spontanen Beschlüsse wollte ich öfter auf der Wanderung treffen, aber ich ließ mich immer weitertreiben. Aus Disziplin, aber auch durch mitreißende Mitreisende. Und: Meist ist keine Unterkunft vor Ort, wenn der Wanderer müde ist vom Laufen.
    Der Campingplatz ist wunderschön, parkähnlich. Mein Zelt steht in einem kleinen Platanenwald, vor neugierigen Blicken durch eine dichte Lorbeerhecke geschützt. Blutbuchen sorgen für Farbtupfer. Oben, in den Baumwipfeln, picken die Meisen irgendetwas, warten ungeduldig darauf, dass die Camper endlich zur nachmittäglichen Pétanque-Runde gehen und Krümel zurücklassen. Oder ihr „Quille de huit“, das beliebte Kegelspiel der Region, betreiben. Es ist angenehm warm. Es ist Sommer.

Der Teufel legt zu seinen Gunsten den Finger in die Waagschale

    Schreck am Morgen: Regen! Aber der geht bald vorüber. Der Weg zieht sich ganz schön den Berg hoch. Weit oben über Villecomtal wachsen auf kleinsten Flächen noch Weinreben.
    Kurz vor Polissal knallt plötzlich ein Donner mich aus meinen Gedanken. Es gießt aus dem heiteren Himmel. Regen, heftig werdender Regen. Wenig entfernt stehen Gebäude, da will ich mich unterstellen. Ich renne. Ein Haus ist ein Restaurant - ob es geöffnet hat? Hat es. Im Wirtshaus mit dem passenden Namen „Cascade“ ist man schon geschäftig. Es ist Sonntag, da hofft man auf Gäste. Gäste, die mehr dalassen als nur Regenwasser, wie es durchnässte Wanderer an sich haben. Der Wirt ist freundlich, das Lokal angenehm. Die Tageskarte wird aufgehängt, verheißungsvoll, nicht teuer. Draußen prasselt der Regen, drinnen bietet man Zimmer an. Soll ich bleiben? Ich bleibe eisern.
    Nur noch Nieselregen. Ich marschiere weiter, komme an der Farm vorbei, aus der die vorgestrige Straußenwurst stammte. Keine Strauß Wirtschaft.
    In Sénergues feiert man das Dorffest. Es gibt eine Herberge, es gibt Musik, es gibt Aligot. Soll ich bleiben? Nein, heute bin ich eisern. Ich gebe mir einen Ruck, wandere weiter. Ich will bis nach Conques. Da kommt sogar die Sonne heraus. Ich bin froh, weitergegangen zu sein. Ein steiler steiniger Abstieg liegt jedoch noch zwischen mir und der Ortschaft.
    Plötzlich entdecke ich den abgelegenen Ort, einsam eingeschmiegt in die Landschaft. Einst war Conques eine bedeutende Pilgerstation auf dem Weg nach Santiago de Compostela. „Man sieht nur, was man weiß.“ Ein Pilger wird keine schweren Kulturführer mitschleppen. Hat er sich nicht zu Hause vorbereitet, sollte er ein wenig aus der Reisekasse in eine der angebotenen Broschüren investieren. Das Tympanon der Klosterkirche Sainte-Foy verdient, genau studiert zu werden. Thema ist das Jüngste Gericht. In der Mitte thront Christus als Richter. Der Betrachter erkennt Maria und Petrus mit dem Schlüssel. Engel heben die Grabsteine und helfen den Verstorbenen aus ihren Gräbern. Die Seelen der Toten werden gewogen. Der Satan, dieser Teufel, legt doch tatsächlich einen Finger in die Waagschale, um zu seinen Gunsten zu manipulieren! In der Hölle brät ein Hase einen Jäger am Spieß. Oder einen Wilderer? Ein Vielfraß wird an den Füßen aufgehängt, damit Speis und Trank wieder herauslaufen.
    Ich suche Ruhe in der Kirche. Das Gewitter einiger Besucher-Blitzlichter schreckt mich mehr auf als der morgendliche Donner. Ruhe finde ich dann vor meinem Zelt, esse Frites mit Muscheln - die Campingplatz-Köchin gab mir die mit in einem Topf.
    In der Nacht, nach Messe und Orgelkonzert, mache ich es mir im Dunkeln mit Marcillac, dem

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