Heiter. Weiter.
Baguette? Wie auch immer. Erfreut mache ich mich auf zu einem Abendbummel.
Im „Le Coq Hardi“ am Place du Commerce nehme ich bei der erfreulich anzusehenden Madame Catharine Dubrulle etwas Rotwein zu mir. Das gibt mir Kraft. Unweit davon befindet sich eine Pilgerherberge. Man kann gerne auf einen kleinen Plausch hereinschauen. Dort sind auch merkwürdige schwarze Gummi-Gegenstände ausgestellt: Die abgelaufenen „Absätze“ eines Holzbeines. Ein Pilger hatte sie auf seinem Weg nach Santiago verschlissen. Was macht da schon das bisschen Schmerz am Fuß? Das gibt mir zu denken. Und schenkt Kraft. Madame Maryse Laffont führt resolut Regiment im „Hôtel de la Paix“. Im Haus nächtigen auch Pilger in den preiswerten Zimmern. Ich verbringe hingegen zwei angenehme Stunden in der Bar. Geöffnet ist von acht bis acht, spätestens um 19.45 Uhr muss die letzte Bestellung aufgegeben werden. Maryse, die auch schon gepilgert ist, stellt mir noch die Flasche mit dem Rosé-Rest hin. Gratis. Das Haus muss einst das erste am Platze gewesen sein, alte Aufnahmen dokumentieren es an den Wänden. Auch noch heute bietet die Bar angenehme Atmosphäre, ist ein Ort der Ruhe.
Ruhe ist auch auf dem Campingplatz eingekehrt. Nachdenklich liege ich im Zelt, finde keinen Schlaf. Werde ich die Wanderung fortsetzen können? Bis nach Santiago? Bis Gibraltar? Der Schmerz ist kaum noch zu spüren. Verdanke ich das der Salbe? Besserung? Gar Heilung? Ich traue dem Glück nicht. Vor Tagen war der Schmerz schon einmal weg, eine Zeit lang. Dann kam er wieder. Auf der anderen Seite: In Neuenburg dachte ich auch ans Aufhören und es wurde alles wieder gut. Es kann ja gut gehen und ich werde wieder gut gehen. Ich werde mich zusammenreißen.
Liebevoll werden die Gäste bekocht, doch ich koche mein eigenes Sößchen
Ich werde es heute nicht übertreiben, obwohl sich der Fuß erholt hat. Es fällt mir schwer, Aire-sur-l'Adour zu verlassen, es ist mir lieb geworden. Ich übersehe eine Abzweigung, laufe stur weiter. Bald bemerke ich meinen Fehler, kehre um. Verlaufen ist ärgerlich, aber keine Katastrophe. Lernt man daraus, hat sich das Verlaufen gelohnt - auf dem Wanderweg wie im Leben. Am Stausee wird der Weg umgeleitet, warum auch immer. Zwei Pilger wollen das nicht einsehen und richten sich nach der alten Markierung, sie müssen umkehren. „Wasserverschwendung“ schimpft ein französischer Pilger. „Das Klima hier ist überhaupt nicht für Anbau von Mais geeignet.“ Was denn mit all dem Mais geschieht, möchte ich wissen. „Gänse werden damit gestopft, damit deren Leber groß werden . Foie gras!“ Gänse würden aus Lust am Fressen sich freiwillig eine Fettleber zulegen. Aber das dauere zu lange für die heute gefragten Billig-Produkte.
Mais, überall Mais. Dank Gentechnik wird hier in ein paar Jahren eine Sorte wachsen, so hoch, dass sie den Pilger beschattet. Und mit herabfallenden Mega-Maiskörnern erschlägt.
In Miramont-Sensacq soll sich laut Wanderführer-Symbol ein Restaurant befinden. Ein Pilger meint, er hätte es gefunden, es sei geschlossen. Das will ich sehen. 2004 dachten wir auch, das Lokal sei nicht geöffnet, das stimmte aber nicht. Und jetzt? Eine Frau steht vorm Gasthaus. „Fermé?“, frage ich schüchtern. „Ouvert!“ Offen ist auch kühler, köstlicher Rosé. Andere Pilger gesellen sich dazu, trinken Bier aus großen Seideln. Ich werde die Nacht in der Gîte verbringen. Die wird von zwei liebevollen älteren Herbergsvätern betreut. Bin ich der einzige Gast? Wenn ich wolle, kochen sie für mich das Abendessen. Das will ich aber nicht, möchte selbst kochen. Nudeln, ganz viel. Dazu Brot und Wein und Käse. Ich will allein sein, allein sitzen, allein essen. Im Ort gibt es einen Lebensmittelladen. Der bietet Nudeln, Makrele in der Dose, Tomatenmark im Döschen, Brot und Wein. Mehr nicht. Ich kaufe Nudeln, Makrele in der Dose, Tomatenmark im Döschen, Brot und Wein. Mehr nicht.
Das Brot ist bestens. Der Wein, ein lokaler „Tursan“, traumhaft. Weitere Gäste suchen die Gîte auf. Auch die beiden Lothringer sind angekommen und erstaunt, dass ich es so weit gebracht habe. Immer mehr Pilger bitten um ein Bett. Jetzt sind die Herbergsväter in ihrem Element. Sie bekochen die Hungrigen - bis auf den glatzköpfigen Deutschen. Der mampft genüsslich in der Küche sein Mahl, während sich die anderen im Speisesaal über Entenbein mit Linsen hermachen. Klar, die Deutschen haben halt keine Ahnung vom guten Essen!
Dafür habe
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