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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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ich ein ganzes Brot statt eines Stückchens und einen Liter statt eines Gläschens. Und viel Ruhe statt eines Schwätzchens.

Ich gehe nicht nach Gibraltar, ich gehe nach Santiago

    953 Kilometer bis Santiago - rechnet das Schild am Ortsende von Miramont-Sensacq dem Wanderer vor. Das ist ja nicht mehr so weit. Später, an der Kapelle von Sensacq, informieren zwei Schilder: Von 911 Kilometern bis Santiago weiß der erste Hinweis, während der zweite von 950 Kilometern Entfernung spricht. Der Pilger steht vor der Kapelle und fragt sich, was er glauben soll. Lösung: Es gibt bei den zu laufenden Kilometern keinen Mengenrabatt, jedoch unterschiedlich lange Wegvarianten.
    Ich erinnere mich an das Dorffest von 2004 in Pimbo. Die Einwohner nahmen im Freien an einer langen Theke ihren Aperitif, später versammelten sie sich in der großen Halle. Freundliche Pimbos rückten für mich zusammen. An endlosen Tischreihen wurde aufgefahren: Wurst und Schinken, Melone in Portwein, Steak mit Frites, Käse und Käsekuchen. Endlos. Zur Verdauung spielte eine Kapelle auf. Doch das diesjährige Fest findet erst in einigen Tagen statt. Dennoch habe ich auch heute Glück: In der Ferne zeigen sich die Pyrenäen in Pastelltönen. Es gibt mächtig Auftrieb, wenn man ein Ziel deutlich vor Augen hat. Der wuselige, hilfsbereite Hospitalero erlaubt mir, im Garten der Herberge in Arzacq-Arraziguet das Zelt aufzubauen. Es sind in dieser Gîte einige zusammengekommen, Spanien naht. In der Küche sitze ich mit Niederländern, zwei Polinnen und einem Italiener beim Essen zusammen. Das dänische Paar ist begeistert, dass ich in Deutschland gestartet bin. Auch die beiden Lothringer haben sich eingefunden. Es ist ihr letzter Tag, sie müssen nach Hause. Schwer geplagt hätten sie sich in den letzten Tagen. Ob ich denn keine Blessuren habe? Ich erwähne den Fuß. „But no problem.“ Die Krankenschwester aus Tirol empfiehlt eine Packung mit Topfen.
    In der Nacht zeigen sich am Himmel Blitze, entfernt grollt Donner. Das gibt was! Ich bitte zwei Mitpilger, mit anzupacken. Zu dritt tragen wir mein bereits aufgebautes Zelt unters schützende Vordach. Hier bin ich sicher. Im Trockenen lässt es sich gut freuen über ein reinigendes Gewitter.
    Kein Donner ist es und kein Blitz, der mich aus dem Schlaf reißt: Stechender Schmerz im rechten Fuß. Habe ich aufgeschrieen? Augenblicklich wird mir klar: Ich gehe nicht nach Gibraltar, nicht nach Afrika. Ich gehe nach Santiago. Es stürmt und kracht im Himmel, es stürmt und kracht im Hirn: Ich gehe nur bis nach Santiago. Es bricht mit aller Wucht aus den Wolken heraus, es bricht über mich hinein: Nein, es sollte nicht sein!
    Ich hatte es übertrieben - bis nach Santiago war mir zu wenig. Ich Narr. Nur nach Santiago? Nur? Weniger ist mehr. Eine Wanderung nach Santiago ist mehr. Ab heute wird Zweifel kein unwillkommener Weggenosse mehr sein, denn jetzt werden Zeit und Kraft und Kasse reichen. Bis Santiago.

Von Gelnhausen bis nach Gibraltar - das wäre doch etwas gewesen

    Das Gewitter hat sich längst verzogen, als ich Arzacq-Arraziguet verlasse. Ich werde den Fuß schonen, langsam gehen, auch mal nur eine kurze Etappe wandern - ich verfüge ja jetzt über ausreichend Zeit. Zur Sicherheit habe ich mir noch eine Tube von der Salbe gekauft und die leicht angeschwollene Stelle großzügig eingeschmiert.
    Es sollte die längste Wanderung meines Lebens werden. Von Gelnhausen nach Santiago - die Hauptstrecke. Die weiteren tausend Kilometer von Santiago nach Sevilla hätte ich auch noch hingelegt. Sicher, ich fürchtete, dass meine Reisezeit nicht ausreicht. Oder das Geld. Schlechtes Wetter konnte zum Problem werden. Und die Wegmarkierung: Die Via de la Plata ist nur von Süd nach Nord gekennzeichnet, an einer Abzweigung kann es Schwierigkeiten geben. Ich wäre bestimmt der Einzige, der in dieser Richtung unterwegs gewesen wäre. Aber so hätte ich viele entgegenkommende Menschen getroffen.
    Statt Halt in Salamanca mache ich Einkehr in Géus-d'Arzaq im „Halte sur le Chemin“. Ein freundlicher junger Mann, einst Soldat im nahen Pau, hat sich mit der Familie hier niedergelassen. Als Zubrot verkauft er dem Pilger Speis und Trank. Er beherrscht mehrere Sprachen, aber nicht das Kochen. Das Menü wird abgeschlossen mit einer Portion „Fromage blanc“, Quark also. Die Tirolerin hatte Topfen empfohlen - aber ich kann mir doch nicht hier den Fromage blanc auf den Fuß schmieren!
    Ach ja, der Fuß. Der Schmerz ist so gut wie

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