Heiter. Weiter.
erleben das auf dem Jakobsweg tagtäglich.
Es ist nicht das erste Mal, dass in einer Amtsstube geschlafen wird
Der Morgen ist eisig kalt, als ich Burgos verlasse. Ich bin noch immer kaputt von der gestrigen Etappe. In Rabé de las Calzadas bereitet der sympathische Wirt mein Frühstück. Welch ein Kontrast zur Hospitalera der örtlichen Herberge! Ich kenne die Frau nicht, aber in Schilderungen von Pilgern wird sie als „Hexe des Caminos“ bezeichnet. Zu Recht? Was wäre Rabé ohne Hexe? Hoffentlich leidet das Lokal nicht unter deren Ruf und hält Pilger von einer Einkehr ab.
Die meisten Pilger sind finanziell gut ausgerüstet. Es sind rüstige Rentner oder Arbeitende, die ihren Urlaub auf dem Weg verbringen. Die Teilnahme am abendlichen Pilgermenü ist für sie mehr ein gesellschaftliches Ereignis als nur Versorgung mit Vitaminen und Mineralien, das Pilgermenü ist oft Fastfood. Ist man mit anderen unterwegs, kann es kostensparend sein, einzukaufen und selbst zu kochen.
Für den Einzelwanderer macht es nicht viel Sinn, auf das Pilgermenü zu verzichten, um Geld zu sparen. So ein Einkauf kostet auch sein Geld, zumal nicht immer kleine Mengen abgegeben werden, Wurst, Käse, Obst werden abgepackt verkauft. Es findet sich nicht immer ein Discounter, sondern Tante-Emma-Läden - die sind nicht billig. In Herbergen bereiten oft Pilger gemeinsam das Abendessen und freuen sich über weitere Teilnehmer.
Der Wanderer möchte sich auch einmal etwas gönnen, Milchkaffee am Morgen, einen frischgepressten Orangensaft zwischendurch oder ein Glas Wein am Abend - das summiert sich. In Hornillos del Camino wird für mich heute das Wanderende sein, bin ich gestern doch viel weiter gegangen als geplant. In der Herberge drängeln sich etliche Pilger um den Tisch der Hospitalera. „Completo - alles belegt“, heißt es zum Schrecken derer, die noch kein Bett gefunden haben. Im Raum sitzen auch einige Glückliche, denen ihr Schlafplatz sicher ist. „Wir waren rechtzeitig da!“, raunt mir ein Mensch zu. „Wir haben auch keine Pause eingelegt.“
Doch dann wird das Rathaus geöffnet. Im Nu ist der enge Sitzungssaal belegt. Die später Ankommenden werden ins Obergeschoss geschickt, um sich da einen Platz zu suchen. Die Büros sind jetzt in Pilgerhand. Es ist sicher nicht das erste Mal, dass in einer Amtsstube geschlafen wird. Jetzt öffnet man die Turnhalle: Alle bekommen ein Bett oder Matratze.
Ein Pilger will seine Wanderung abbrechen. „Unzumutbar, ein primitives Loch.“ Auch die privaten Unterkünfte sind completo. Andere danken der Hospitalera, nicht abgewiesen worden zu sein. Die hat jetzt beide Hände voll zu tun: Sie gehört irgendwie zum einzigen Lokal im Ort und ist bei der Zubereitung des Abendessens tätig. Sie weiß, die meisten Pilger werden hier etwas essen oder trinken. Warum soll sie als Hospitalera ihre späteren Kunden abweisen?
Das halbe Stück Seife und der Schnürsenkel als Wäscheleine
1. Mai! Mein rotes Handtuch habe ich gut sichtbar am Rucksack befestigt, als ich Hornillos del Camino verlasse. Wenige Meter links vom Weg kauert die winzige Herberge San Bol. Bei meiner ersten Tour machte ich hier Rast: Einfachste Unterkunft ohne WC, jedoch mit Pool. Betreuer waren zwei Deutsche, die den Tag verbrachten mit Linsensuppenkochen und Rotweintrinken. Als ich die Türe öffne, ist alles noch am Schlafen. Schade!
Hape Kerkeling ist 2001 auf dem Camino gewandert und hat sein Buch 2006 veröffentlicht. Seit 2001 hat sich vieles verändert, zum Guten und zum Schlechten. Der geschilderte Vitorio, im Ort Hontanas liebevoll Vitorino genannt, hat sein Lokal bereits im Jahr der Erstveröffentlichung geschlossen. Dennoch schüttet in allen Neuauflagen Vitorino sich weiter Rotwein übers Gesicht. Ich wäre gerne erneut bei ihm eingekehrt!
In Castrojeriz wirkte einst Hospitalero Resti. Er duldete keinen nächtlichen Aufbruch, dafür weckte er seine Gäste morgens einzeln. Jetzt ist Resti nicht mehr vor Ort im Ort. Schade!
Im Restaurant „El Meson“ leiste ich mir Rindersteak „Solomillo“ und einen Ensalada mixta. Die Salatportion ist üppig, zur Hälfte Obstsalat. Hauptsache Vitamine. Die Bedienung bringt das Fleisch an den Tisch, zeigt den Gargrad. Ob ich es mehr „durch“ haben möchte? Möchte ich - mir kam es so roh vor wie ein von Blasen befreiter Pilgerfuß. Ein Pilger möchte sich zu mir setzen, „nur ein Bier trinken“. Ich sage, ich möchte in Ruhe essen. Er trollt sich davon. Die Rechnung:
Ensalada
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