Heiter. Weiter.
hören.
Ledigos kam für mich zu früh als Ende der heutigen Tagesetappe, auch Terradillos de los Templarios war irgendwie nicht der richtige Ort zum Übernachten. So marschiere ich weiter bis nach Sahagún. Mit gewaltigem Heißhunger betrete ich ein kleines Restaurant. Der Wirt empfiehlt mir „Morro“. Es schmeckt wie Gulasch. Die Löcher in manchen Fleischstückchen weisen auf das verwendete Teil vom Schwein: den Rüssel.
Der Jakobsweg ist wie das Leben -mal schön und mal schrecklich
Gestern hatte ich auf der Etappe nach Sahagún eine gute Kilometerleistung hingelegt, da darf ich heute kürzer treten: Ich werde nur bis El Burgo Ranero wandern. So bleibt genügend Zeit, in einem der kleinen Orte auf dem sonnigen Dorfplatz ein Frühstück einzunehmen. Gegenüber haben Schwalben ihre Herberge unter dem Scheunendach eingerichtet. Unermüdlich fliegen sie hin und her, bringen ihrem Nachwuchs das Frühstück.
Zwei sich sehr ähnlich sehende jüngere Damen aus Sachsen gesellen sich zu mir. „Wir sind die Jakobs-Sisters!“ Das sieht ihnen ähnlich. Ein Mann kommt auf einem eigenartigen Fahrrad angerollt: ein Scherenschleifer. Sein Gefährt ist zusätzlich mit Schleifsteinen ausgerüstet, die er mit den Pedalen antreibt. Ich bringe ihm mein einst im französischen Espalion erworbenes Laguiole-Messer. Er begutachtet es, nickt anerkennend und meint: „Solingen!“ Er berechnet einen Euro. Um das Schleif-Ergebnis zu testen, kaufe ich im Laden einen Apfel. „An apple a day keeps the doctor away“, las ich in einer Apotheke geschäftsschädigend. Vielleicht ist ein Apfel zu wenig, es dürfen auch deren drei oder vier sein. Jedenfalls hat so ein Apfel dem Wanderer einiges zu bieten: Mineralien, Vitamine, Ballaststoffe. Die gibt es in jedem Tante-Emma-Laden zu kaufen. Von Müsliriegeln haben sie dort noch nie etwas gehört. Gesund sind auch Bananen. Die Vollreifen Banänchen namens Platanos schmecken und liefern Magnesium. Manch Pilger hat Magnesiumtabletten von zu Hause mitgebracht. Unnötig: Neben Bananen enthalten auch spanische Apotheken Magnesium.
In El Burgo Ranero übernachte ich in der aus Lehm erstellten Herberge. „So viele, viele Deutsche“, wundert sich die aparte Hospitalera. „Deutschland muss leer sein!“ Fürs Übernachten erbittet sie eine Spende. Herbergen, die um eine freiwillige Spende bitten, sind selten geworden - nicht ohne Grund. Gegenüber im blitzsauberen „Hostal & Restaurant El Pelegrino“ nächtigen die Jakobs-Sisters im Doppelzimmer für dreißig Euro, ein Einzelzimmer kostet zwanzig Euro. Jetzt gönnen sie sich einige Biere. „Trinkt ihr keinen Jacobs-Kaffee?“, kalauere ich. „Wir trinken San Miguel - das ist der Patron der Durstigen.“ Sie sind begeistert vom Jakobsweg. „Er ist wie das Leben - mal schön, mal schrecklich. Wir werden zu Hause den Weg immer wieder gehen, in Gedanken.“
In der Herberge knarren in der Nacht die Dielen und Treppenstufen unter dem Gewicht der sich zur Toilette tastenden Pilger. Und erneut auf deren Rückweg, obwohl die Heimkehrer jetzt leichter sind. Hoffentlich ist ihnen nicht nur die Funktion von Kamera und Mobiltelefon bekannt, sondern auch die einer Klobürste. Draußen wird mit Inbrunst ein nächtliches Froschkonzert vorgetragen in El Burgo Ranero. „Rana“ bedeutet „Frosch“.
Hier kommt die Bar „La Torre“ endlich mal in die Schlagzeilen
Hinter El Burgo Ranero führt der Jakobsweg an der feuchten Heimat der Frösche vorbei. Großes Gequake. Ich bleibe stehen und zähle vierzehn Störche, im Sumpf staksend, mit Schnäbeln stochernd nach Frühstücks-Fröschen. Plötzlich, wie auf Kommando, Stille. Französische Pilger gehen ihren Weg, laut schwadronierend - der Grund für das Schweigen der Frösche?
Es wird heute eine kurze, eine sehr kurze Etappe werden. Hoffentlich. Ich möchte nur bis nach Reliegos wandern. 2004 entdeckte ich im Örtchen einen außerordentlichen Wirt namens Signi. Sollte der noch in seiner „Bar La Torre“ noch hinter dem Schanktisch praktizieren, dann übernachte ich in Reliegos. Falls nicht, werde ich traurig noch ein paar Stunden weiterwandern.
Der Wirt ist noch vor Ort! Ich bleibe hier. Zunächst möchte ich in der Herberge einchecken. Die ist noch geschlossen. Der Hospitalero sitzt im zweiten Lokal, dem „Gill“. Das hat geöffnet, der Gesuchte ist da. Dieses „Gill“ ist ein Restaurant und im Vergleich zur Bar „La Torre“ gutbürgerlich. Der Hospitalero öffnet mir die Herberge. Sie ist
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