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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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eine lange Schlange geduldig auf eine Portion Churros, in Zeitungsseiten eingewickelt. Heinrich Heine segnete den Krämer, der aus seinen Gedichtsseiten Tüten dreht - vielleicht wird auch aus diesen Seiten hier etwas Sinnvolles. Die fettigen Gebäckschlangen, goldig frittiert und zuckerverziert und mit heißem Kakao genossen, dienen einigen sichtlich zur Stärkung nach durchtanzter Nacht.
    Die jetzt noch geschlossenen Bars erinnern mich an den gestrigen genussreichen Abend im „feuchten Viertel“ von León. Auch zu früher Stunde macht das Viertel seinem Namen alle Ehre: Straßenreiniger haben mit dem Wasserschlauch die Gassen abgespült und so die Spuren nächtlicher Ausschweifungen beseitigt.
    Die gut fünf Kilometer heraus aus León fahren manche Pilger mit dem Bus - sie fürchten fälschlicherweise durch industrielle Vororte wandern zu müssen. In der Morgenkühle erreiche ich über die Markusbrücke Trobajo del Camino und stehe bald, begleitet von fernen Hahnengeschrei, in Virgen del Camino vor der modernen Betonkirche. Durch die geschlossene Glastür kann ich nur einen Blick auf den Barockaltar werfen. Vis-à-vis, im „El Peregrino“, sollte der Peregrino sich mit Flüssigkeit versorgen - es folgt eine kleine Durststrecke. Um auf ihr in die richtigen Richtung zu laufen, muss er an der Kirche die Straße überqueren, später ist es zu spät. An der leicht zu übersehenden Weggabelung entscheide ich mich gegen die in den Führern favorisierten Variante. Auf dem Kirchturm von Valverde de la Virgen ist ein Kreuz mit „A & O“ angebracht, Anfang & Ende. Daneben sitzt ein den Anfang symbolisierender Storch, es fehlt der Aasgeier. In San Miguel del Camino steht im Schatten eines Hauses auf der Bank ein Körbchen, garniert mit der spanischen Flagge. Darin befinden sich Erdnüsse, Äpfel, Bonbons, Kekse, Mandarinen -Stärkung für den Pilger. Und ein kleiner Schreibblock als Gästebuch.
    Am Mittag knallt die Sonne auf mein schütteres Haupt. Das kann schlimme Folgen haben: Sonnenbrand auf der Glatze oder Hitzschlag. Schnell packe ich den Hut aus dem Rucksack.
    San Martín del Camino hat auf dem ersten Blick nicht viel zu bieten. Doch es gibt drei Herbergen, einen Laden, eine versteckte Bäckerei mit Anisplätzchen und zwei Lokale, in denen hübsche Mädchen Bier zapfen. In der Bar „Los Picos“, in der auch Essen serviert wird, sind die Männer beim Würfelspiel. Da kommen zwei Frauen hereingestürmt und machen ihren Gatten gestenreich deutlich, dass sie nun nach Hause zu kommen hätten. Da gestattet ja die Hospitalera längeren Ausgang! Die strengen Señoras waren bestimmt auch einst hübsche Señoritas - es ist alles vergänglich.

Das Jammern über den unattraktiven Weg hat hier ein Ende

    Wie die gestrige Etappe, so ist auch der Weg aus San Martín del Camino heraus landschaftlich nicht attraktiv. Ich finde das nicht tragisch: Schönes gibt es nur durch Hässliches. Doch dieses Stück Jakobsweg ist ein Stück Realität. Ein schmaler Weg führt nach Hospital de Órbigo. All das Gejammer über den Wegverlauf hat ein Ende, wenn der Wanderer die imposante Brücke aus römischer Zeit erblickt.
    Ein Feldweg biegt bald nach Villares de Órbigo. Ich habe viel Zeit. Ich sitze am Tisch vor dem Lokal „Piris“ und freue mich: Sonne am Himmel, Wasser im Glas, Wein im Gläschen, Freude im Herzen. Und das Käse-Bocadillo ist auch schon unterwegs. Einige werden diese Orte nicht kennen lernen - sie sitzen noch im Bus. Der Bus, der sie nur aus León herausbringen sollte, fährt noch ein paar Kilometer weiter - da kann man doch sitzen bleiben. Und viel verpassen. Weiter. Blumen im Garten, freundlich grüßende Leute. Brummende Insekten suchen im Putz der Scheune ihren Weg. Der Name der Dorfstraße: Camino Santiago. Mein Weg führt durch eine Landschaft ohne Autopiste, da ist die gestrige Etappe schnell vergessen. Getreidefelder und Gemüsebeete lassen den Pilger sich auf das Abendessen freuen. Doch was heute an den Rebstöcken heranreift, werden Pilger erst im kommenden Jahr im Glas haben - es geht immer weiter.
    Nach Santibáñez de Valdeiglesias lädt eine Eigenbau-Bank zur Rast, umgeben von Kreuzen und Statuen. Pilger haben das aufgestellt, keine großartigen Kunstwerke, aber die liebe Absicht ist zu spüren. Ein bedeutendes Kreuz ist jedoch das Wegkreuz vor San Justo de la Vega. Von hier hat man eine tolle Aussicht auf die Kathedrale von Astorga.
    Ich ertappe mich, dass ich beim Gehen nach unten blicke. Der schmale

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