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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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Wiesenpfad wird in meiner Phantasie zum Weg, die Wiese zum Wald. Auf diesem, aus meiner Pilotensicht erkennbaren Waldweg, ziehen Wanderer, Reiter, Hirten. Pfützen werden zu Seen, Rinnsale zu Flüssen, Wassergräben zu Kanälen. Im zur Wegstabilisierung hingeschütteten Haufen Ziegelbrocken erkenne ich von oben die karminroten Dächer einer sündigen Stadt. Ich entdecke überall Wege.
    In Astorga ist mein Hunger nicht groß. Im Schnellimbiss gibt es zu Kleinigkeiten ein ordentliches Bier und rockige Musik. Der Imbiss nennt sich „Gula“ - „Völlerei“.
    Im Hof der angenehmen Herberge „San Javier“ habe ich anschließend zum Tagesausklang noch ein gutes Gespräch. Pedro kommt aus Turin. Er spricht nicht Deutsch, ich nicht Italienisch. Und so erklärt in Spanien ein Italiener einem Deutschen auf Englisch die Beweggründe für seinen Gang nach Compostela: „Für mich ist das Leben eine Bewährung, eine Pilgerfahrt zwischen Geburt und Tod. Durch Plage zum Paradies.“

Nicht nur hohe Berge von Nudeln und Salaten gilt es zu schaffen

    Hinaus aus Astorga, auf nach Murias de Rechivaldo. Jetzt möchte ich weiter nach Castrillo de los Polvazares, kann aber niemanden finden, um nach dem Weg zu fragen. Mein sonst so geschwätziger Wanderführer in Buchform schweigt. Dann finde ich Weg und Ort. Eine eigenartige Stimmung umgibt mich: Ganz allein, ohne einen Menschen zu erblicken, gehe ich auf uraltem Pflaster in der Morgenkühle durch das langgestreckte Dorf. Der Schlenker hierher war ein kleiner, lohnenswerter Umweg. Castrillo bietet mit seinem ungewöhnlichen Ortsbild eine besondere Atmosphäre. In Santa Catalina de Somoza blicke ich zurück, erkenne die Kathedrale von Astorga. Auch schon wieder vorbei!
    In El Ganso, wie auch anderswo, stehen vor Häusern mit Wasser gefüllte Plastikflaschen. Warum? Ist das Wasser für Durstige oder zum Blumengießen? Eine Schweizerin meint, Fliegen und andere Insekten spiegelten sich in der Flasche und flüchteten vor ihrem vergrößerten Abbild. Zu Hause mache man das auch.
    Zeitig erreiche ich Rabanal del Camino. Es ist früh, doch ich werde im Ort bleiben, den ich in bester Erinnerungen habe. Die Pilgerherberge „Nuestra Señora del Pilar“ bietet Innenhof mit Bar, die Chefin kümmert sich persönlich um die Gästefüße mit Rat und Tat, Trost und Pflaster, Nadel und Faden. Behutsam sticht sie mit der Nadel in die Blase und zieht einen Wollfaden hindurch. Durch diese Vorrichtung soll die Blasenflüssigkeit hinaustreten. Doch heute hat die Chefin dafür keine Zeit. Aus der Küche sind riesige Berge von Salaten und Nudeln herauszuschaffen, die ihre Gäste in sich hineinschaffen.
    Der Blick eines Pilgers fällt auf das an der Wand angebrachte Höhenprofil: Panik! Angst vor dem morgigen Aufstieg. Wird er den Berg schaffen? Schafft ihn der Berg? Zunächst wird ein Taxi vorbestellt für den Rucksack, dann entschließt sich der wackere Wanderer, morgen selbst mit hinaufzufahren. Vielleicht lässt er sich vom Droschkenfahrer den Pilgerpass abstempeln. Hat er zehn Stempel zusammen, gibt es in Santiago eine Urkunde von der Taxivereinigung.
    Der Berg, den es morgen zu besteigen gilt, ist höher als der Pass durch die Pyrenäen. Doch in Rabanal sind bereits die meisten Höhenmeter bewältigt. Aber wer fahren will, soll fahren. Geschmacksache. Man kann recht bequem nach Santiago kommen - ein Grund für den Massenbetrieb auf dem Camino. Ich möchte auf keinen meiner Wanderkilometer verzichten.
    Ich gehe lieber. Ins Kloster. San Salvador bittet die Pilger zur Abendandacht mit gregorianischen Gesängen. Hier treffen sich die Leute aus dem Ort und Pilger aus aller Welt. Gläubige unterschiedlicher Religion und auch manche, die schon lange nicht mehr an einem Gottesdienst teilgenommen haben.

Fahrradteile, Plastiktüten und Unterhosen am Cruz de Ferro

    In Rabanal gibt es zur Morgenstärkung Milchcafé und eine Frühandacht im Kloster. Jetzt können wir den Aufstieg nach Foncebadón wagen. Dort ist noch Einkehr möglich, auf den nächsten Kilometern ist das nicht mehr machbar. Dafür darf der Pilger sein Gepäck erleichtern: Es ist eine schöne Tradition, aus der Heimat einen Stein mitzuschleppen und ihn symbolisch für Sorgen und Sündenlast am Steinhaufen, aus dem das Cruz de Ferro ragt, abzulegen. Doch was wird da alles deponiert: Schuhsohlen, Fahrradteile, Plastiktüten, Unterhosen.
    Ich habe zwei Steine abzulegen: Einen Brocken Buntsandstein aus Gelnhausen und das Steinchen von damals, das

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