Heiter. Weiter.
frisch renoviert und verfügt über modernste WC- und Duschanlagen. Ich reinige Hemd und Hose, Haut und Haare. Hunger habe ich auch. Ich nehme das Pilgermenü ein im „Gill“. Für neun Euro gibt es nicht viel auf dem Teller. Pilger aus Mailand, Paris oder London finden das günstig - für Pilger aus ärmeren Regionen ist es teuer. Ich beruhige mich mit einer Mischkalkulation: Fürs Bett bezahlte ich fünf Euro und fürs Essen neun Euro. Zusammen vierzehn Euro. Hätte ich sieben Euro fürs Bett und sieben Euro fürs Essen bezahlt, fände ich das angemessen.
In der „Bar La Torre“ hocken überraschend viele Pilger. Ausgewählte Gäste dürfen sich an den Wänden verewigen. Treffendes ist da zu lesen: „Beste Bar, beste Tortilla“. Oder: „Super Musik“. Eusignio „Signi“ wirbelt hinterm Tresen, schenkt aus, schenkt ein, Bier und roten Spitzenwein. Signi belegt Brote mit kleinen Filets und Käse. Signi zerteilt Eierkuchen. Signi füttert Gast, Hund und Katz. Aus der Box ertönt ein Lieblingstitel von mir: „Sombrero“.
Eine Pilgerin meint: „Wichtiger als die Anzahl der gewanderten Kilometer ist mir der Kontakt mit den Menschen. Und auch der Kontakt zu mir selbst.“ Ein anderer bestätigt: „Anschluss gibt es genügend, das hängt von dir ab. Man sieht immer wieder dieselben, tauscht sich aus und freut sich, wenn man jemanden wiederfindet, den man am Vortag verloren hatte.“ Einer kann da nicht zustimmen: „Bei diesen vielen Menschen zu sich selbst zu finden, ist so erfolgversprechend wie ein Candlelight-Dinner im Bierzelt. In León breche ich ab!“
In der Hölle gibt es die besten Weine, Würste und Schinken
Mancher Pilger wandert nur von Reliegos bis nach Mansilla de las Mulas. Von hier fährt er mit dem Bus nach León. Oder noch ein paar Kilometer weiter. Geschmacksache.
Die Stadt Leon war für mich Liebe auf den ersten Blick. Gut ist es, in der Jugendherberge zu übernachten - ein Teil der Betten wird für Pilger mit Pilgerausweis freigehalten - und nicht bei den gestrengen Benediktinerinnen, die ihre Herbergspforte schon vor zweiundzwanzig Uhr schließen. Dank der durchgehend geöffneten Jugendherberge bleibt genügend Zeit, León zu erkunden.
Frisch geduscht mache ich mich auf den Weg in die Altstadt mit ihrer berühmten Kathedrale. Der Jakobsweg führt durch die enge Calle de la Rúa. Dort befindet sich mit dem „Nuevo Sevilla“ eine kleine Schänke mit herrlichen Weinen - auch aus dem nahen Bierzo. Dazu reicht man zu den Essenszeiten üppige Tapas. Gratis. Gestärkt kann ich nun San Isidore besuchen mit dem Panteón der Könige, Schatzkammer und Kreuzgang. Im Panteón begeistern mich vor allem die Wand- und Deckengemälde, die so alt sind wie meine Heimatstadt. Unfassbar, dass alles die Jahre unzerstört überstanden hat. Rührend die Darstellungen auf dem bäuerlichen Kalender: Man erkennt den Landmann und seine verschiedenen Tätigkeiten im Laufe des Jahres. Im Oktober treibt er die Schweine zur Eichelmast, politisch korrekt ein rotes und ein schwarzes Schwein. Der Pilger möchte so vieles besichtigen, doch es fehlt ihm dazu die Zeit - nicht nur in León. Nicht verpassen wird er aber die gotische Kathedrale. Ein Gebäude der Klarheit und des Lichts, das durch die prachtvollen farbigen Lanzettenfenster und Fensterrosen ins Innere tanzt.
Die Bar „Valdesogo“ in der Calle Carnicerías 3 ist eher ein Raum der Dunkelheit. Im Lokal sind Zeit, Gäste und Ofen stehen geblieben.
Nach einem Mittagsschläfchen im Jugendherbergsbett mache ich mich noch mal auf zum Stadtbummel, am Guzmanes-Palast vorbei bis zum einstigen Kloster und Hospiz San Marcos, heute ein Luxushotel. Das Abendessen nehme ich dann ein im „feuchten Viertel“, in der Bar „El Infierno“ in der Calle Zapaterías 6 . Hier, in „der Hölle“, serviert man beste Weine, Würste und Schinken. Ich muss an den Bauernkalender denken mit der Eichelmast.
Zum Abschluss spaziere ich die wenigen Meter zur Kathedrale, die von außen angestrahlt wird. Plötzlich verlöschen die Scheinwerfer. „Sparmaßnahme“, denke ich. Doch nach einer Weile wird im Innern eine sanfte Beleuchtung angeschaltet. Dazu ertönt leise Orgelmusik. Ich sehe jetzt die Kathedrale in einem ganz anderen Licht. Ein wunderschönes Ende meines Aufenthaltes in León.
Ein Körbchen mit Erdnüssen, Äpfeln, Bonbons, Keksen und Mandarinen
Früh bin ich auf den Beinen, früh bin ich auf dem Weg. Zur Zehrung kaufe ich Apfel und Banane. Vor einer Bude wartet
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