Held Rama
zur Rache treibe, leb' vierzehn Jahre lang vom Reiche fern im Wald!«
»Gewährt! – und gern gewährt!« nickte Rama. »Der wahren Weisheit Quelle rinnt im Walde reiner, als im Palast des Herrschers! – Ich lös' des Vaters Wort noch heute!«
Dascharatha brach in lautes Schluchzen aus.
Rama aber sank vor ihm in die Knie, berührte ehrfurchtsvoll des Greises Füße mit der Stirn, beugte sich auch in Ehrerbietung vor Kaikeyi, und verließ den königlichen Palast, um von Mutter und Gattin Abschied zu nehmen.
Kauschalja mochte ihren herrlichen Sohn nicht ziehen lassen, und Lakschmana, Ramas getreuer Bruder aus dem Schoße der Sumitra, wollte der List Kaikeyis mit Gewalt begegnen.
»Bruder!« rief er, »zu schnell hast du dem Zagen des kindischen Greises, dem Drohen der falschen Königin nachgegeben! – Deine Opferwilligkeit in Ehren – doch mir giltst du – und du allein – als Herrscher dieses Reiches. Ich steh' zu dir als dein erster Vasall und weiß ein Schwert zu schwingen!«
»Schweig! ungestümer Freund und Bruder!« erwiderte Rama ernst, »und schilt den Vater nicht und keine seiner Frauen. Das Schicksal hat Kaikeyi den Wunsch und dem Vater den vorschnellen Eid in den Mund gelegt! – Dem beug' ich mich!«
»Ich aber nicht!« schrie Lakschmana drohend. »Hab' ich nicht Kraft in den Armen und Mut im Herzen, um das Schicksal zu bezwingen? – Trag' ich den Bogen zum Schmuck, die Keule, zum Spiel? – Fürchtest du das Volk zu entzweien? – Lass mich's hinausschreien auf offenem Markt, wie um eines Weibes Lächeln an dir und dem Reiche gefrevelt wird, und alle stehen wie ein Mann hinter dir! – Lass mich dich schützen, Bruder!« fuhr er weicher fort. »Sieh hier die sandelduftenden Hände – für dich will ich sie in Blut tauchen – sieh die goldgeschmückte Brust – für dich will ich sie in Erz hüllen – sieh die Knie, die ich vor dir beuge, sie sollen mein Streitross zum Siegeslauf zwingen für dich!«
»Dank, Bruder, für deine Treue!« sprach Rama gerührt. »Doch wo Glück und Pflicht einander widerstreiten, da entscheiden nicht starke Arme und kräftige Schenkel. Ein großes Herz lässt Glück und Lust und fragt nur nach der Pflicht: Des Vaters Wort weist sie dem Sohne, und er gehorcht mit Lust, auch wenn's zum Leide geht!«
»So gehe, mein Sohn, und lebe wohl!« sprach Kauschalja weinend.
Rama sank vor der Mutter nieder, schmiegte sein Haupt an ihre Füße und hörte die Segenswünsche der zärtlichsten Sorge und Liebe.
Endlich riss er sich los und eilte aus Kauschaljas Palast zum schwersten Abschied – zum Abschied von seinem jungen Weibe.
Lakschmana aber folgte ihm auf dem Fuß, denn er wollte den verbannten Bruder nie wieder verlassen.
Sita saß daheim und erwartete, dass der Gatte in seinem neuen Königsschmuck vor sie träte. Sie ahnte nicht, was die Morgenstunden gebracht hatten.
Plötzlich stand Rama vor ihr. Gebeugt und traurig: er sollte vom Liebsten scheiden.
Erschrocken sprang Sita auf: »Was ist dir, Herr? – Du blickst so düster – heut' – zur Krönungsfeier? – Doch du bist nicht im königlichen Schmuck – du kommst allein. – Was ist geschehen?«
»Sita! ich bin des Reiches verwiesen!« sprach Rama zögernd. »Ein schneller Eid band Vater an den Wunsch Kaikeyis: Ich bin verbannt, und Bharata wird König! – Leb' wohl! – Ich folge meiner Pflicht –und du – vergiss des Fernen nicht! Ehr' meine Mutter, als wäre sie die deine, und neige dich in Demut vor dem neuen Herrscher –«
»Du scherzest, Herr! – denn wärest du gebannt, zög' ich mit dir, so wie ich mit dir sterbe, wenn du stirbst! – Wir zwei sind eins! wie könnten wir uns trennen!«
»O Sita!« rief Rama, »du kennst den wilden Wald nicht! Seine rauhen Wege –«
»Ich muss vor dir schreiten und sie ebnen!«
»Wind und Wetter rauben den Schlaf –«
»Dein Haupt soll in meinem Schoße sanft gebettet sein!«
»Raubgierige Tiere –«
»Ich will mich in ihren Rachen stürzen, auf dass ihr Hunger von dir lasse!«
»Mein Weib, mein treues Weib!« rief Rama und schloss Sita in seine Arme. »Darf ich dich denn ins Elend führen?«
»Nur wo du fern bist, haust das Elend!« flüsterte die Edle an seiner Brust. »Mit dir werden mir die ragenden Stämme des Waldes güldne Palastsäulen scheinen und ihre Kronen seidene Königsschirme! Wie über Teppiche werde ich über das Moos schreiten, und süße Beeren werden unser Festmahl sein!«
»O meine Sita!« jubelte Rama. »Der heutige Tag hat
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