Held Rama
mir mehr als eine Krone, er hat mir ein Herz geschenkt! Verteile unser Eigen an die Priester und die Diener des Hauses, und rüste dich zur Fahrt in die Wildnis!«
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Rama, Sita und Lakschmana standen in Büßerkleidung vor dem greisen König, um seinen Segen mit in die Wüste zu nehmen.
»Kaikeyi!« flehte der zitternde Alte, »ist dein Stolz noch nicht befriedigt? – Fürchtest du nicht des Himmels Strafe, wenn du den gerechten Rama, den treuen Lakschmana, ja die zarte Sita, den Gefahren der Wüste preisgibst?«
Kaikeyi schwieg und Dascharatha weinte still vor sich hin.
Da sprang Sumantra, der Wagenlenker und erste Rat des Königs, vor.
»Starrsinnige Königin!« rief er. »Wird deine Seele nicht weich unter des greisen Gatten Tränen, beugt sich dein Sinn nicht vor der Größe unverschuldeten Elends, so soll deine Hoffahrt in den Staub getreten werden, dein Herz brechen unter der Schuld an allem Elend im Reich! – Auf! Ehrwürdige Priester! Auf, stolze Recken, reiche Kaufherrn und fleißige Bauern! Ramas Fahrt soll ein Heereszug in neues, fremdes Land werden, und nur tote Steine und ein Haufen Gesindel unter Bharatas Herrschaft zurückbleiben!«
»Verräter!« schrie Kaikeyi. »Ich habe des Königs heiliges Versprechen und bestehe auf meinem Rechte!«
»Zu deinem Schaden!« lachte Sumantra. »Weißt du wie's deiner Mutter erging? – Ein Heiliger hatte ihrem Gatten die Gabe verliehen, die Sprache aller Tiere zu verstehen, doch durfte er bei Leben und Sterben nicht verraten, was er erlauscht hatte. Einst hörte der König die Stimme eines ›Gähners‹ und, da er verstand, was der drollige Vogel schwätzte, musste er laut auflachen. Neugierig fragte deine Mutter, worüber der König gelacht habe. ›Ich darf es nicht sagen!‹ sprach ihr Gatte, ›sonst muss ich heute noch sterben!‹ ›Du musst! Du musst!‹ drängte das Weib, und als der König sich wieder weigerte, schmollte, klagte, heulte sie und gebärdete sich wie unsinnig. Da ging dein Vater zu seinem Heiligen und fragte ihn um Rat.
Der Ehrwürdige aber sagte: ›Du stirbst heute noch, König, oder du verstoßest die Lieblose, der ihre Neugierde mehr gilt, als das Leben des Gatten!‹
Darauf ging dein Vater entschlossen nach Hause, jagte die Unsinnige aus dem Palast und lebte fortan in Ruhe und Glück.
Dir aber, Königin, ward die Geschichte deiner Mutter verschwiegen, auf dass dein Starrsinn, ihr Erbe, nicht geweckt würde. – Doch vom Dornenstrauch fließt eher Blut als Honig! – Bestehe nur auf deinem vermeintlichen Recht – dein Sohn aber wird über Tschandalen und wilde Hunde herrschen!«
»Ja, ja!« rief Dascharatha, zitternd vor Freude. »Mein Heer! – ich will mit meinem Sohn und meinem Volke ziehen!«
»Halt, Vater!« rief Rama. »Nicht lüstet mich nach dem Sattel, wenn das Ross verloren ist! Bharata herrsche über das Reich und die vier Stände, ich aber suche das Glück in der Waldeinsamkeit: Soll ich feilschen um Wort und Pflicht? Mit dem Schicksal um Kronen hadern, weil es des Vaters Wort und Ehre gegen des Sohnes Behagen gewogen hat? – Nein! – Lakschmana und Sita wollen meine Armut teilen – sie sind willkommen! – Ihr anderen aber bleibt und gehorcht meinem Bruder Bharata, wie ihr mir gehorcht hättet.«
»Wie du es willst, mein Rama!« sprach Dscharatha müde.
Dann wandte er sich zu Sumantra:
»Geh, teurer Freund! Lege zwei gute Schwerter auf meinen Wagen, zwei starke Bogen, scharfe Pfeile, Kleidung und Nahrung! dann fahre meine Söhne mit Sita nach des Reiches Grenzen! Es ist die letzte Ehre, die den Verbannten erwiesen wird.«
Gerührt fielen die Ausgestoßenen dem Greis zu Füßen und berührten sie ehrfurchtsvoll mit der Stirne. Ernst erhoben sie sich, wandelten rechtshin um den weinenden Vater, und verließen unter den Klagerufen der Zurückbleibenden den Palast.
Sumantra mit des Königs Wagen erwartete sie am Tor.
Hinter Sita bestiegen die Prinzen das Gefährte; der Lenker schwang den Stachelstock und trieb die Rosse langsam durch die den Wagen umdrängende Volksmenge.
»Rama! Rama!« klang es zu den Scheidenden empor. Und: »Heil der Edlen aus Mithila und dem wackeren Lakschmana, die dem Besten treu bleiben bis ans Ende! – Bleibt alle bei uns! – Bleibt!«
»Schneller!« flüsterte Rama dem Wagenlenker zu, und Sumantra stachelte die Rosse, dass sie das Volk hinter sich ließen, und eine Staubwolke die einzige Begleiterin der Verbannten blieb.
Dascharatha stand an einem Fenster des
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