Held Rama
Palastes, und sein tränenverschleiertes Auge hing an jener Wolke, bis sie in der Ferne verschwand.
Dann wandte er sich ab und fiel wie vom Blitz getroffen zu Boden.
Kauschalja und Kaikeyi sprangen hinzu, um zu helfen. Da hob der König die Faust und schrie: »Zurück, Kaikeyi! Du bist mein Weib nicht mehr! und besteigt Bharata den Thron der Ikschwakuiden, so weise ich als Seliger sein Totenopfer von mir!«
Entsetzt verhüllte die Fürstin ihr Haupt und wankte aus der Halle. Kauschalja ließ den Gebrochenen in ihr Haus tragen und weinte an seinem Lager die ganze Nacht. Kaikeyi aber sandte schnelle Boten an den Hof ihres Bruders, um ihren Sohn Bharata heimzurufen, zu Reichtum und Macht, zu Ehren und Würden.
Dascharathas Tod
Fünf Tage schon lag der König auf seinem Lager, schweigend und düster. Kauschalja wich nicht von seiner Seite, und als der erste Schmerz in einem Strom von Tränen dahingeflossen war, regte sich Unmut in ihr, ob des Königs Schwäche vor Kaikeyi.
»Nennt ihn das Volk nicht den Gütigen, und doch weist er die Gerechten aus ihrem Glück!« klagte sie. »O zarte Sita, Kleinod meines Sohnes, wie wirst du Glückverwöhnte, leiden in Wind und Wetter. – Und er, der Edle! – wird sein Elend nicht verdoppelt im Anblick des deinen? – Vierzehn Jahre! vierzehn Jahre! – Und kehrt er wieder nach dieser Zeit, so wird er die Herrschaft nicht wollen aus Bharatas Hand. Der Tiger frisst nicht, was der Schakal übrig lässt! – Oh – oh – er wird nicht wiederkehren! – Auch ich bin verlassen und verloren! Ohne Halt ist das Weib ein Schilfrohr im Sturm: Die Eltern starben mir, mein Gatte hat all' seine Kraft vergeudet, um meine letzte Stütze, den Sohn, zu brechen. Schwächer ist er nun als ich schwaches Weib! – Ich habe keine Zuflucht mehr auf Erden!«
»Zerreiße nicht dies müde Herz!« stöhnte Dascharatha. »Hab' Mitleid mit einem Sterbenden! – Höhn' nicht den Gatten, wenn er auch gefehlt hat. – Du bist ein gutes Weib – du musst deinen Gebieter ehren bis ans Ende! – Oh – es kommt – kommt bald – und Rama ist so weit! – Ach, ich ahn' es, warum das Schicksal mich schlägt: Für eine alte Schuld heischt es die Sühne! – Hör' mich, Kosalerin:
Ich war kaum sechzehn Jahre alt und entlief meinem Waffenmeister, um im Walde meine junge Heldenschaft zu erproben. In einem Dickicht am Ufer der Saraju lauerte ich auf Elefanten, die dort zur Tränke gehen mussten.
Schon lag der Abend über Wald und Fluss, als ich hinter dem deckenden Gebüsch lautes Plätschern hörte. Rasch hob ich den Bogen und schoss dem Schalle nach, wie ich es vor meinem Waffenmeister oft hatte üben müssen.
Ein Stöhnen wie aus Menschenbrust erschreckte mich. Ich sprang durchs Dickicht und sah einen Jüngling in Büßertracht sich in seinem Blute wälzen.
›Was tat ich dir, o Herr?‹ sprach er wehmutsvoll.
›Nichts – nichts!‹ rief ich entsetzt. ›Ein Irrtum – ein Versehen! – Ihr Götter! wie schaff ich Hilfe? – Ist die Wunde tödlich – schmerzt sie?‹ Ich wusste nicht mehr, was ich sprach.
›Herr!‹ röchelte der Sterbende, ›ich fürchte den Schmerz nicht und nicht den Tod – doch meine Eltern – dort – im Busch – sind blind. Ich war die einzige Stütze ihres Alters! – Bring' ihnen die Früchte, die ich gesammelt und das Wasser, das ich geschöpft habe –‹
Und damit verschied der gute Sohn.
Ich saß lange an seiner Leiche und wagte es nicht, vor die beraubten Eltern zu treten. Endlich, als ich in der Ferne ängstliches Schreien und Rufen hörte, nahm ich Korb und Krug des Getöteten und ging den Tönen nach in den Wald.
Dort fand ich eine Schilfhütte und an ihrer Türe, ängstlich nach meinen Schritten lauschend, die beiden blinden Alten.
›Du bleibst so lange aus, mein Kind!‹ murmelte der Greis, als ich vor ihn trat. ›Gib mir Wasser! So – so – mein guter Sohn!‹
Und dann drängte sich die blinde Mutter an mich und streichelte die Hand, die ihren Sohn getötet hatte.
Entsetzt sprang ich zurück.
›Oh, flucht mir nicht!‹ bat ich stockend. ›Ich bin Dascharatha, des Königs Sohn! – ich hab' euer Kind getötet, als ich auf einen trinkenden Elefanten zu schießen glaubte – vergebt – verzeiht! – wie der Sterbende mir verziehen hat!‹
Gebrochen sanken die Alten einander in die Arme und weinten herzzerreißend.
Endlich richtete sich der blinde Büßer auf und sprach:
›Ich bin kein Brahmane, und dennoch müsste mein Fluch vom Schicksal erhört
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