Held Rama
ballte in ohnmächtigem Zorn die Finger mit den Sichelkrallen und starrte entsetzt auf den Schorf seiner Arme.
Kumbhakarna quoll auf, mehr als der größte Weinschlauch, und Vibhischana verschrumpfte zum Zwerge.
»Halt ein! – nimm deinen Fluch zurück! « rief Ravana entsetzt. »Ich bin unschuldig wie meine Brüder! – Oh – ich ahn' es – das tat mir Siwadatta an, der Zauberer, den ich aus seinem Schlosse gejagt habe, um meine Untertanen vor seiner Bosheit zu schützen! «
»Siwadatta? « murmelten die Klausner. »So heißt der Bruder, der dich heute des Frevels zieh! – Er lebt erst ein Jahr lang unter uns! «
»So lange ist es her, dass ich seine Zauberfeste brach! – Wo ist er? « rief Ravana.
»Wo ist er? – wo ist er? « schrien alle durcheinander und suchten die nächste Umgebung ab.
Doch der Zauberer blieb verschwunden und ward auf Erden nie wieder gesehen.
Ravana und seine Brüder flehten den alten Heiligen an, seinen Fluch zurückzunehmen.
»Das kann ich nicht! « sprach der Fromme, traurig ob seines schnellen Zornes. »Des Büßers Wort ist einmal und unabänderlich! – Doch da ich dir und den Deinen Unrecht getan habe, so sollt ihr jeder einen Wunsch frei haben. Meine Brüder und ich wollen unsere im Himmel aufgehäuften Bußschätze daran wenden, dass die drei Wünsche erfüllt werden! «
»Himmel und Hölle! « tobte Ravana. »Soll ich wegen dieses Plappermaules als Dämon durch die Welt rasen, so soll sie mich mehr fürchten als alles! Ich will, dass keiner der Götter mich besiegen kann! «
»Gewährt! « nickte der Alte. »Die Menschen werden dich bezwingen!«
»Die Menschlein? « lachte Ravana gröhlend. »Die fürcht' ich nicht mehr als die Affen!«
»Und du, Kumbhakarna? was wünschest du? « fragte der Älteste den ersten Bruder Ravanas.
Der Dicke riss das Maul auf, denn er war lüstern nach Speise. Sarasvati, die Göttin der Beredsamkeit, schlüpfte unsichtbar hinein und kam gleich darauf als sein Wunsch über die Lippen: » Ich will schlafen, nichts als schlafen! « Brahma hatte vor des Kolosses Fressgier für seine Welt gezittert und ihn darum durch seine Gattin überlisten lassen.
Wiederum nickte der Alte: »Gewährt! «
Das verhutzelte Männlein Vibhischana erhob sich und seufzte unter Tränen: » Oh, gebt mir zum Mitleid auch die Liebe der Menschen! dann will ich mein Schicksal gerne ertragen! «
»Mit tausend Freuden gewährt! « sprach der Alte und legte segnend die Hand auf das Haupt des Bejammernswerten.
»Genug des Tränenspieles! « tobte Ravana. »Euch segnenden und fluchenden Frommen will ich noch in die Feuer fahren! – Auf, Knechte, packt meinen dicken Bruder, der, beim Indra, schon schläft wie eine Ratte, auf einen der Beutewagen. Vorwärts, faules Gesindel, oder ich will euch Beine machen! – Marsch, Pfaffengezücht, in eure Hütten!«
Unter Ravanas Flüchen und Schelten zogen die Büßer sich in ihre Klausen zurück. Die Trossknechte luden den schlafenden Kumbhakarna auf einen der Rüstwagen, und dann tobte der Zug südwärts durch den Wald davon, um Siwadattas Zaubergerät aus seinem Verstecke zu ziehen. Alle Menschlichkeit war in Ravana erstorben, und wie der Wolfshund dem Wolfe an die Gurgel fährt, so wollte der Dämon gewordene Mensch die Menschheit mit allen Mitteln würgen, bis ihr der Atem zum Fluchen verginge.
Sengend und brennend zog die Horde durch alle Lande, und das Kind in der Wiege war nicht sicher vor der Furchtbaren Wut. Wie ein Strom in der Regenzeit schwoll die Schar unter dem mächtigen Dämonenherrscher und vernichtete, was sich ihr Gutes und Nützliches entgegenstellte.
Der Menschheit bangte um ihr Sein und sie lag in brünstigem Flehen vor ihren Göttern und Rettern.
Da trat Narada, der ewig wandernde Götterbote, vor den Dämonenherrn.
»Ravana! Dämon! Ungeheuer! Höllenfürst und Allbezwinger! « begann er zu höhnen. »Wie tapfer schlägst du dich mit den Menschlein herum! Sieh doch, wie großartig, die zu schlagen, die täglich der Tod schlägt! Ei, du bist mir ein Allsieger! – Versuch' deine Kraft einmal an der Menschheit Bezwinger: den Tod greif an, wenn du Mut hast! «
»Du hast recht, armseliger Wurm, darum will ich dich nicht zertreten! « brüllte Ravana, »Auf, auf, meine Getreuen, wir wollen den Völkerversammler Yama in seiner Höhle und Hölle aufsuchen, um unsern Mut zu beweisen! Kommt, wir wollen den Tod töten! «
Johlend brach das Dämonenheer auf und stürmte den Kaïlasa hinan, um durch den Berg
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