Held Rama
Kosalerfürstin? Wisse: der König will morgen Rama zum Herrn der Erde weihen!«
»Dank dir für diese Nachricht!« sprach lächelnd Kaikeyi. »Rama ist der Edelste und Stärkste! Ich liebe ihn wie meinen eigenen Sohn!«
»So? – so?« keifte die Bucklige. »Und dein herrlicher Bharata soll leer ausgehen? – O Herrin, Königin, du bist krank!«
Und sie schilderte mit bewegten Worten das Elend, das die Gebieterin erwarte, wenn der Sohn der Kauschalja den Thron bestiege: Zurücksetzung, Armut, ja Verbannung konnte, musste sie treffen.
Kaikeyi wurde unruhig, und die Bucklige schmiedete das heiße Eisen:
»Sag'! hat nicht Dascharatha zwei Wünsche dir zu erfüllen versprochen, als du ihn nach der Asurenschlacht von seiner Todwunde heiltest? – Hat er nicht? – Sieh! hier ist ein Weg, der Schmach zu entgehen!«
»Was soll ich fordern?« fragte Kaikeyi schnell, die von der Bösen schon ganz gefangen war.
»Dass er deinen Sohn Bharata zum König weihe und Rama in den Wald verbanne!« zischte der Bucklige.
Und als Dascharatha ins Frauenhaus kam, fand er seine Gattin Kaikeyi ohne Schmuck, mit zerrissenen Kleidern und aufgelöstem Haar, auf dem Boden des finsteren Gemaches liegend.
Erschrocken fragte der König nach der Ursache des klagenden Schmerzes.
Doch Kaikeyi blieb verstockt, erinnerte Dascharatha vorerst, dass sie zwei Wünsche frei hätte, und ließ sich deren Erfüllung aufs Neue beschwören.
Dann sprach sie sie aus: Bharata sollte den Thron besteigen und Rama in die Wüste ziehen!
Wie vom Blitze getroffen fiel Dascharatha zu Boden und blieb besinnungslos liegen.
»Oh – oh!« ächzte er, als er endlich unter dem angstvollen Rütteln Kaikeyis erwachte. »Oh – äfft mich ein Traum? – Nein – nein! Du bist die Viper, die ich in mein Haus genommen habe. – Heuchlerin! – hast du nicht Rama über alle gepriesen? – Du nicht Kauschalja wieder und wieder um des besten Sohnes willen beglückwünscht? – Schlange!
Doch nein! – Du scherzest nur – täuschst mich und dich – mein Rama! wer sollte dich kennen und nicht lieben! Du neue Jugend meines Alters – du Sonne meiner Welt – du Überfluss für meines Herzens Not! – Genug, Kaikeyi! Du hast das nicht gefordert!«
»Willst du dich so um deine Eide stehlen!« schrie die Königin. »Verachtung müsste dir das Leben kürzen und der Götter Fluch dein Sterben zur Ewigkeit dehnen! – Du hast's beschworen – zweimal – feierlichst: Bharata herrscht, und Rama wird verbannt!«
Wieder fiel Dascharatha zu Boden und lag die ganze Nacht ohne Besinnung.
Kalt saß Kaikeyi bei ihm und ließ reifen, was sie gesät hatte.
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Am Morgen kam Sumantra, der Wagenlenker, um nach alter Väter Sitte seinen Herrn mit einem Bardenspruch zu wecken. Am Eingang des Gemaches sang er:
»Wach auf!
Es harrt, o Herr, dein Rat, dein Heer, dein Volk,
Wie wogenstille Wasser auf die Sonne
Zur Morgenstunde!
Dein Glück erglänz' ob dem Gedeihn der Werke,
Dem Tagestun der Tät'gen, bis zur Ruhe
Der Abendstunde!
Wach' auf!«
»Oh – oh – wer preist mich glücklich?« seufzte erwachend der König.
Erschrocken trat Sumantra zurück.
Kaikeyi, die Schlaue, aber rief: »Der König ist müde von den Herrschersorgen dieser Nacht. Prinz Rama komme sie ihm tragen helfen!«
»Ja! – Rama – Rama!« seufzte Dascharatha.
Und Sumantra eilte hinweg, den Prinzen vor dem König zu rufen.
Durch die festlich geschmückten Straßen fuhr Rama unter den Heil- und Segensrufen der Bevölkerung nach dem Palast, durchschritt rasch die fünf Höfe und betrat das Frauenhaus. Als er den König und Kaikeyi begrüßte, sah er des Vaters schmerzzerwühltes Antlitz.
»Ehrwürdiger Vater!« rief er erschrocken, »bin ich der Quell deiner Tränen?«
Der müde Greis hob abwehrend die Hand, doch ließ ihm der würgende Gram kein Wort über die Lippen schlüpfen.
»O sprich mit mir!« bat Rama voll Sorge.
Da erhob sich die schlaue Königin und sprach:
»Der König hat einen Wunsch, dessen Gewährung dich betrüben muss, Rama! Und doch ist er mit heiligen Eiden an die Erfüllung gebunden. Gelobst du, dich des Vaters Willen zu fügen, wie er auch sei, so will ich dir ihn nennen!«
»Du zweifelst an mir, Königin?« rief Rama voll Trauer. »Was könnt' es auf Erden und im Himmel geben, das ich nicht freudig meinem Vater opferte! – Sprich nur! – Was er gelobt hat, halte ich!«
»So lass die Herrschaft meinem Bharata!« rief Kaikeyi schnell. »Und, dass nicht Reue dich
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