Held zum Verlieben
strafend an und legte den Finger auf den Mund. Schließlich war man hier in einer Bücherei. Jack grinste in sich hinein, während sie mit schwingenden Hüften auf ihn zuging.
„Haben Sie was gefunden“, flüsterte Wilma neugierig.
„Nichts Konkretes“, erklärte Jack. Dann wies er auf das Foto in dem Jahrbuch, das vor Charlie lag. „Sind das nicht Sie?“
„Ach du meine Güte, ja, das bin ich tatsächlich. In dem Jahr war ich Präsidentin des Debattierklubs.“
„Und hier, das ist doch Victor, der da den Arm um Sie gelegt hat?“
Sie kniff die Augen leicht zusammen, um besser sehen zu können und errötete dann leicht. „Ja, ich denke schon.“
Jack beobachtete sie. Sie schien plötzlich so nervös. Warum nur?
„Waren Sie beide ein Paar?“
„Eigentlich nicht“, stotterte sie verlegen. „Ich meine, wir sind ein-, zweimal miteinander ausgegangen, aber wir haben uns nicht mal richtig geküsst.“ Sie riss sich zusammen, erinnerte sich daran, dass sie jetzt eine erwachsene Frau war, eine Frau mit Erfahrung. „Victor war ein Frauenheld“, erklärte sie. „Immer auf der Durchreise, wenn Sie wissen, was ich meine. In meinem Leben hat er nur kurz Station gemacht.“
Charlie unterdrückte ein Grinsen und beschäftigte sich dann mit einem anderen Jahrbuch. Aber Jack wollte noch mehr wissen.
„Und was ist mit diesen Mädchen hier?“ Er deutete auf verschiedene Fotos, auf denen Victor stets ein Mädchen küsste oder umarmte.
Wilma sah näher hin. „Also, mal überlegen. Das war Anna Mankin, heute Anna Stewart. Ich glaube, sie wohnt in Dallas. Und das – wie hieß sie noch? Ach ja, Mary Lee. Mary Lee Howards. Sie kam vor ungefähr zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben.“
Während Wilma sprach, machte sich Jack hin und wieder Notizen. Und je länger er zuhörte, desto überzeugter war er, dass die Antwort in diesen Büchern zu finden war. Er wollte Wilma gerade unterbrechen, als sie einen Namen erwähnte, der sein Interesse erweckte.
„Das ist Judy“, sagte Wilma. „Die kennen Sie ja sicher schon.“
Jack betrachtete das große elegante Mädchen mit den dunkelbraunen Haaren. Irgendwie kam sie ihm schon bekannt vor, aber dieses strahlende Lächeln? Er konnte sich nicht erinnern. „Nein, Ma’am, ich glaube nicht.“
„Aber natürlich kennst du sie, Jack! Das ist Judith Dandridge. Du weißt schon, Davies Tante“, erinnerte ihn Charlie.
„Du machst Witze!“ Er konnte es nicht glauben, dass diese heute so strenge und zurückgenommene Frau einst so ein strahlendes Wesen war. „Also, die hat sich aber sehr verändert.“
Wilma blickte nachdenklich drein. „Stimmt, ist mir aber irgendwie gar nicht so aufgefallen. Na ja, sie ist jetzt Apothekerin, und das ist eben schon fast wie Ärztin. Da muss sie seriös und verantwortungsbewusst aussehen. Das schafft Vertrauen.“
„Wilma war Judith nicht im selben Jahrgang wie Sie und Victor?“
Wilma nickte.
„Und wieso gibt es dann kein Abschlussfoto von ihr?“, bohrte Jack weiter.
„Aber es muss eins geben. Ganz bestimmt.“ Eifrig blätterte Wilma im Jahrbuch. „Oh, jetzt erinnere ich mich. Sie und ihre Eltern hatten einen schlimmen Autounfall. Judy hatte es ziemlich erwischt, Knochenbrüche, Kratzer, Prellungen. Wenn ich mich recht erinnere, wurde sie in den letzten zwei Monaten ihres Abschlussjahres zu Hause unterrichtet.“
„Und was bedeutet das?“, wollte Jack wissen.
„Wenn ein Schüler aus gesundheitlichen Gründen nicht am normalen Unterricht teilnehmen kann, bekommt er einen Hauslehrer“, klärte ihn Charlie auf.
Jacks Augen wurden schmal. Vielleicht war das der Grund, warum Judith ihr strahlendes Lächeln verloren hatte.
„Das muss ja ein ziemlich schwerer Unfall gewesen sein“, meinte er. „Was für ein Glück, dass sie nicht fürs Leben gezeichnet wurde. Wurden ihre Eltern auch verletzt?“
Wilma zog die Stirn kraus. „Nein. Irgendwie war das eigenartig. Nur Judy hatte Verletzungen erlitten. Alles, woran ich mich sonst noch erinnere, ist, dass die Dandridges danach einen nagelneuen Wagen hatten.“
„Und sind Victor und Judith auch miteinander gegangen?“
„Aber nein“, erklärte Wilma. „Ich glaube, Judy hatte damals einen Freund, der in einer anderen Stadt wohnte. Sie war an Victor überhaupt nicht interessiert, und das hat ihn zur Weißglut gebracht. Victor wurde von seinen Eltern derart verwöhnt, dass es für ihn ganz normal war, alles zu bekommen, was er wollte.“ Sie sah sich das Foto noch
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