Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
verbrannt ist, sterbe ich?«
»Das ist nicht so seltsam«, sagte die Großmutter. »Ob römisch oder chinesisch … das Schicksal der Menschen kann oft vorhergesagt werden und manchmal kann man sich davor schützen, jedenfalls für einige Zeit. Das Holzscheit ist jetzt in deinem Besitz. Behalte es immer dicht bei dir. Solange es in Sicherheit ist, bist auch du sicher.«
Frank schüttelte den Kopf. Er wollte einwenden, das sei nur eine alberne Sage. Vielleicht wollte Großmutter ihm Angst einjagen, aus Rache dafür, dass er ihr Porzellan zerstört hatte.
Aber ihr Blick war trotzig. Sie schien Frank herausfordern zu wollen: Wenn du das nicht glaubst, dann verbrenn es doch.
Frank klappte den Deckel zu. »Wenn es so gefährlich ist, warum versiegeln wir das Holz nicht mit etwas, das nicht brennt, wie Plastik oder Stahl? Warum legen wir es nicht in einen Safe?«
»Was würde passieren«, überlegte die Großmutter, »wenn wir den Stock mit einem anderen Material überzögen? Würdest du dann ersticken? Ich weiß es nicht. Deine Mutter wollte dieses Risiko nicht eingehen. Sie konnte es nicht ertragen, davon getrennt zu sein, aus Angst, dass etwas passieren könnte. Banken können ausgeraubt werden. Gebäude können abbrennen. Seltsame Dinge geschehen, wenn wir versuchen, das Schicksal zu betrügen. Deine Mutter glaubte, das Holz sei nur in ihrem Besitz sicher, bis sie in den Krieg zog. Dann hat sie es mir gegeben.«
Die Großmutter schnaubte. »Emily war töricht, als sie in den Krieg gegangen ist, auch wenn ich wohl immer gewusst habe, dass das ihr Schicksal war. Sie hoffte, deinem Vater wiederzubegegnen.«
»Sie dachte … sie dachte, er wäre in Afghanistan?«
Die Großmutter breitete die Hände aus, als ob das alles ihren Verstand überstiege. »Sie ging in dem Glauben, die Familiengabe würde sie beschützen. Aber die Gabe hat unsere Familie niemals beschützt. Sie hat meinem Vater nicht geholfen, und seinem Vater auch nicht. Sie hat mir nicht geholfen. Und jetzt bist du ein Mann geworden. Du musst deinem Weg folgen.«
»Aber … welchem Weg? Und was ist unsere Gabe … das Bogenschießen?«
»Du und dein Bogenschießen. Törichter Knabe! Heute Abend, nach der Beerdigung, musst du nach Süden gehen. Deine Mutter hat gesagt, dass Lupa Boten schicken wird, wenn sie aus dem Krieg nicht zurückkehrt. Diese Boten werden dich an einen Ort geleiten, wo die Kinder der Götter auf ihr Schicksal vorbereitet werden.«
Frank hatte das Gefühl, mit Pfeilen beschossen zu werden, so dass sein Herz in Porzellanscherben zersprang. Er hatte das meiste von dem, was seine Großmutter gesagt hatte, nicht verstanden, aber eins stand fest: Sie warf ihn hinaus.
»Du lässt mich einfach gehen?«, fragte er. »Deinen letzten Verwandten?«
Der Mund seiner Großmutter zitterte. Ihre Augen sahen feucht aus. Zu seinem Schrecken erkannte Frank, dass sie mit den Tränen rang. Sie hatte vor Jahren ihren Mann verloren, dann ihre Tochter, und jetzt musste sie ihren einzigen Enkel wegschicken. Aber sie erhob sich vom Sofa und richtete sich auf, und ihre Haltung war so starr und korrekt wie immer.
»Wenn du im Camp ankommst«, sagte sie, »musst du unter vier Augen mit der Prätorin sprechen. Sag ihr, dass dein Urgroßvater Shen Lun war. Der Zwischenfall in San Francisco ist viele Jahre her. Hoffentlich werden sie dich nicht seinetwegen töten, aber vielleicht solltest du um Vergebung für seine Taten bitten.«
»Das wird ja immer besser«, murmelte Frank.
»Die Göttin hast gesagt, dass du für unsere Familie den Kreis schließen wirst.« In der Stimme der Großmutter lag keine Spur von Mitgefühl. »Sie hat deinen Weg vor Jahren bestimmt und er wird nicht leicht sein. Aber jetzt ist es Zeit für die Beerdigung. Wir haben Verpflichtungen. Komm. Der Wagen wartet sicher schon.«
Die Trauerfeier war in Franks Erinnerung verschwommen: feierliche Gesichter, das Prasseln des Regens auf dem Baldachin über dem Grab, die Schüsse der Ehrengarde, der Sarg, der in den Boden versenkt wurde.
In dieser Nacht kamen die Wölfe und heulten auf der Veranda vor dem Haus. Frank ging hinaus zu ihnen. Er nahm seinen Rucksack und seine wärmste Kleidung, seinen Bogen und seinen Köcher mit. Der Orden seiner Mutter war im Rucksack verstaut. Das angesengte Holzstück war vorsichtig in drei Schichten Stoff gewickelt und steckte in seiner Jackentasche, gleich über seinem Herzen.
Seine Reise begann – zum Wolfshaus in Sonoma und später ins Camp Jupiter,
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