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Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)

Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)

Titel: Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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hing eine mit Rot auf dem letzten Rest Zeichenpapier geschriebene Mitteilung, in einer Schrift, die nicht die ihrer Mutter war. Böses Mädchen. Ich warte auf der Insel. Enttäusche mich nicht. Hazel schluchzte vor Verzweiflung. Sie wollte diese Aufforderung ignorieren. Sie wollte wegrennen, aber es gab keinen Ort, wo sie hingehen könnte. Außerdem war ihre Mutter gefangen. Die Stimme hatte versprochen, dass ihre Aufgabe fast erledigt wäre. Wenn Hazel weiter half, würde ihre Mutter freigelassen werden. Hazel hatte kein Vertrauen zu der Stimme, aber sie sah keinen anderen Ausweg.
    Sie nahm das kleine Ruderboot, das ihre Mutter mit einigen Goldnuggets von einem Fischer gekauft hatte, der am nächsten Tag einen tragischen Unfall mit seinen Netzen erlitten hatte. Sie hatten nur dieses eine Boot, aber Hazels Mutter schien bisweilen die Insel auch ohne irgendein Transportmittel erreichen zu können. Hazel hatte gelernt, nicht danach zu fragen.
    Sogar mitten im Sommer trieben Eisklumpen durch die Resurrection Bay. Seehunde glitten an ihrem Boot vorbei, sahen Hazel hoffnungsvoll an und schnupperten nach Fischabfällen. Mitten in der Bucht brach der funkelnde Rücken eines Wals durch die Wasseroberfläche.
    Wie immer setzte das Schaukeln des Bootes ihrem Magen zu. Sie lehnte sich über die Seite, um sich zu übergeben. Die Sonne ging über den Bergen unter und verwandelte den Himmel in blutiges Rot.
    Sie ruderte auf die Mündung der Bucht zu. Nach einigen Minuten drehte sie sich um und schaute nach vorn. Gleich vor ihr erhob sich die Insel aus dem Nebel – ein Morgen Kiefern, Felsquader und Schnee mit einem schwarzen Sandstrand.
    Wenn die Insel einen Namen hatte, dann kannte sie ihn nicht. Einmal hatte Hazel den Fehler gemacht, die Leute im Ort zu fragen, aber die hatten sie angestarrt, als ob sie den Verstand verloren hätte.
    »Da is keine Insel nich«, sagte ein alter Fischer, »oder mein Boot wär da schon tausendmal gegengestoßen.«
    Hazel war an die fünfzig Meter vom Ufer entfernt, als vorn auf dem Boot ein Rabe landete. Es war ein öliger schwarzer Vogel, fast so groß wie ein Adler, mit einem scharfen Schnabel, wie ein Messer aus Obsidian.
    Seine Augen sprühten vor Intelligenz, deshalb war Hazel nicht überrascht, als er sprach.
    »Heute Nacht«, krächzte er. »Die letzte Nacht.«
    Hazel ließ die Ruder sinken. Sie versuchte zu entscheiden, ob der Rabe sie warnte, ihr einen Rat gab oder ihr etwas versprach.
    »Kommst du von meinem Vater?«, fragte sie.
    Der Rabe legte den Kopf schräg. »Die letzte Nacht. Heute Nacht.«
    Er pickte auf den Bug des Bootes und flog zur Insel hinüber.
    Die letzte Nacht, sagte sich Hazel. Sie beschloss, es als Versprechen aufzufassen. Egal, was sie mir sagt, ich sorge dafür, dass es die letzte Nacht ist.
    Das gab ihr genug Kraft, um weiterzurudern. Das Boot glitt ans Ufer und brach durch eine feine Schicht aus Eis und schwarzem Schlick.
    Im Laufe der Monate hatten Hazel und ihre Mutter einen Pfad ausgetreten, der vom Strand in den Wald führte. Hazel ging ins Binnenland und hielt sich sorgsam an den Pfad. Die Insel wimmelte von Gefahren, natürlichen und magischen. Bären raschelten im Unterholz. Leuchtende weiße Geister, die ein wenig menschlich wirkten, schwebten zwischen den Bäumen umher. Hazel wusste nicht, was sie waren, aber sie wusste, dass sie sie beobachteten und hofften, sie in ihre Klauen zu bekommen.
    Mitten auf der Insel bildeten zwei massive schwarze Felsen den Eingang zu einem Tunnel. Hazel betrat die Höhle, die sie das Herz der Erde nannte.
    Es war der einzige wirklich warme Ort, den Hazel seit ihrem Umzug nach Alaska gefunden hatte. Die Luft roch nach frisch umgegrabener Erde. Die süßliche, feuchte Hitze machte Hazel benommen, aber sie gab sich alle Mühe, wach zu bleiben. Sie stellte sich vor, dass ihr Körper in dem Lehmboden versinken und zu Mulch werden würde, wenn sie hier einschliefe.
    Die Höhle war so groß wie der Altarraum einer Kirche, wie in der St.-Louis-Kathedrale zu Hause am Jackson Square. An den Wänden leuchteten fluoreszierende Moose – grün, rot und violett. Die ganze Kammer dröhnte vor Energie, mit einem widerhallenden Bumm, Bumm, Bumm, das Hazel an einen Herzschlag erinnerte. Vielleicht waren es nur die Wellen, die gegen die Insel schlugen, aber Hazel glaubte das nicht. Dieser Ort hier lebte. Die Erde schlief, aber sie pulsierte vor Kraft. Und ihre Träume waren so boshaft, so gemein, dass Hazel spürte, wie sie die Wirklichkeit

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