Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
an … Hazel konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt diese Art Zuneigung in den Augen ihrer Mutter gesehen hatte. Sie spürte, wie ein Schluchzen in ihrer Brust aufstieg.
»Pluto hat mich gewarnt«, sagte ihre Mutter. »Er hat mir gesagt, mein Wunsch sei zu gefährlich.«
»Dein – dein Wunsch?«
»Aller Reichtum unter der Erde«, sagte ihre Mutter. »Er hatte die Herrschaft darüber. Ich wollte ihn haben. Ich hatte es so satt, arm zu sein, Hazel. So satt. Zuerst habe ich ihn herbeigerufen … einfach, um zu sehen, ob ich es konnte. Ich hätte nie gedacht, dass der alte Voodoo-Zauber auch bei einem Gott wirken würde. Aber er umwarb mich, sagte, ich sei mutig und schön …« Sie starrte ihre verkrümmten, schwieligen Hände an. »Nach deiner Geburt war er so glücklich und stolz. Er wollte mir jeden Wunsch erfüllen. Das schwor er beim Styx. Ich bat um allen Reichtum, den er besaß. Er warnte mich, dass die gierigsten Wünsche den größten Kummer verursachen können. Aber ich ließ nicht mit mir reden. Ich stellte mir das Leben einer Königin vor – die Gemahlin eines Gottes! Aber du … du hast den Fluch abbekommen.«
Hazel hatte das Gefühl, bis zum Zerreißen auseinandergezerrt zu werden, wie dieser Turm in der Grube. Ihr Unglück würde bald zu groß sein, um in ihr Platz zu haben, und dann würde ihre Haut zerreißen. »Deshalb also kann ich Dinge unter der Erde finden?«
»Und deshalb bringen sie nur Kummer.« Ihre Mutter zeigte müde auf die Wände der Höhle. »So hat sie mich gefunden und so konnte sie mich beherrschen. Ich war wütend auf deinen Vater. Ich machte ihn für meine Probleme verantwortlich. Ich machte dich verantwortlich. Ich war so verbittert, ich habe auf Gaias Stimme gehört. Ich war eine Närrin.«
»Es muss etwas geben, das wir tun können«, sagte Hazel. »Sag mir, wie wir sie aufhalten können.«
Der Boden zitterte. Gaias körperlose Stimme hallte in der Höhle wider.
Mein Ältester erhebt sich, sagte sie, das Allerkostbarste in der Erde – und du hast ihn aus den Tiefen geholt, Hazel Levesque. Du hast ihn neu erschaffen. Er erwacht und kann nicht aufgehalten werden. Nur eins bleibt noch zu tun.
Hazel ballte die Fäuste. Sie war außer sich vor Angst, aber jetzt, wo ihre Mutter frei war, hatte sie das Gefühl, sich ihrer Feindin endlich stellen zu können. Diese Kreatur, diese böse Göttin, hatte ihr Leben ruiniert. Hazel würde sie nicht siegen lassen.
»Ich helfe dir nicht mehr!«, schrie sie.
Aber ich brauche deine Hilfe auch nicht mehr, Mädchen. Ich habe dich nur aus einem einzigen Grund hergebracht. Deine Mutter brauchte … einen Ansporn.
Hazels Kehle war wie zugeschnürt. »Mutter?«
»Es tut mir leid, Hazel. Verzeih mir bitte – du musst wissen, es war nur, weil ich dich liebe. Sie hat versprochen, dich leben zu lassen, wenn …«
»Wenn du dich opferst«, sagte Hazel, der die Wahrheit aufging. »Sie braucht dich, und du musst freiwillig dein Leben geben, um dieses … dieses Ding auferstehen zu lassen.«
Alkyoneus, sagte Gaia. Der älteste der Giganten. Er muss sich zuerst erheben, und das hier wird seine neue Heimat sein – fern von den Göttern. Er wird durch diese eisigen Berge und Wälder schreiten. Er wird eine Armee von Monstern zusammenrufen. Wenn die Götter dann entzweit sind und in diesem sterblichen Weltkrieg gegeneinander kämpfen, wird er seine Armee aussenden, um den Olymp zu zerstören.
Die Träume der Erdgöttin waren so mächtig, dass sie Schatten auf die Höhlenwände warfen – grauenhafte zuckende Bilder von Nazi-Armeen, die Europa verwüsteten, von japanischen Flugzeugen, die amerikanische Städte zerstörten. Endlich begriff Hazel. Die Götter des Olymp würden in diesem Krieg Stellung beziehen, wie sie das in den Kriegen der Menschen immer taten. Während die Götter bis zum blutigen Ende gegeneinander kämpften, würde eine Armee aus Monstern sich im Norden erheben. Alkyoneus würde seine Riesenbrüder erwecken und sie losschicken, um die Welt zu erobern. Die geschwächten Götter würden fallen. Der sterbliche Konflikt würde jahrzehntelang weitertoben, bis alle Zivilisation vernichtet wäre und die Erdgöttin endgültig erwachte.
Und das alles, säuselte die Göttin, weil deine Mutter gierig war und dich mit der Gabe verflucht hat, Reichtümer zu finden. In meinem Schlaf hätte ich noch Jahrzehnte gebraucht, Jahrhunderte vielleicht, um die Kraft zu finden, Alkyoneus selbst zu erwecken. Aber jetzt wird er
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