Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
angeschaut und gesagt: ›Du müsstest tot sein.‹«
»Das kann nicht sein«, meinte Thalia. »Ich habe es ihm nie erzählt.«
»He«, sagt Leo. »Wichtig ist doch, dass ihr euch jetzt gefunden habt, oder? Da habt ihr doch Glück.«
Thalia nickte. »Leo hat Recht. Sieh dich an. Du bist in meinem Alter. Du bist groß geworden.«
»Aber wo war ich die ganze Zeit?«, fragte Jason. »Wie konnte ich so lange spurlos verschwunden sein? Und dann der ganze römische Kram …«
Thalia runzelte die Stirn. »Der römische Kram?«
»Dein Bruder spricht Latein«, sagte Leo. »Er benutzt die römischen Namen der Götter und er hat Tattoos.« Leo zeigte auf die Striche auf Jasons Arm. Dann schilderte er Thalia kurz die anderen seltsamen Dinge, die geschehen waren: dass Boreas sich in Aquilon verwandelt hatte, dass Lycaon Jason ein »Kind Roms« genannt hatte und dass die Wölfe zurückgewichen waren, als Jason sie auf Latein angesprochen hatte.
Thalia zupfte an ihrer Bogensehne. »Latein. Zeus hat manchmal Latein gesprochen, als er zum zweiten Mal bei Mom war. Wie gesagt, er kam mir anders vor, förmlicher.«
»Du meinst, das war seine römische Erscheinungsform?«, fragte Jason. »Und deshalb sehe ich mich als ein Kind Jupiters?«
»Kann sein«, sagte Thalia. »Ich habe so etwas noch nie gehört, aber es würde erklären, warum du in römischen Begriffen denkst und eher Latein sprichst als Altgriechisch. Das würde dich zu etwas Einzigartigem machen. Es erklärt aber nicht, wie du ohne Camp Half-Blood überlebt hast. Ein Kind des Zeus – oder des Jupiter, wie immer du ihn nennen willst – würde doch von den Monstern gejagt werden. Ohne Hilfe hättest du schon vor Jahren umkommen müssen. Ich weiß, ich hätte ohne Freunde nicht überlebt. Du hättest Training gebraucht, ein sicheres Versteck …«
»Er war nicht allein«, platzte Leo heraus. »Wir haben davon gehört, dass es noch andere wie ihn gibt.«
Thalia musterte ihn fragend. »Wie meinst du das?«
Leo erzählte ihr von dem zerfetzten lila Hemd in Medeas Warenhaus und der Geschichte, die die Zyklopen über das Kind des Merkur erzählt hatten, das Latein sprach.
»Gibt es keinen anderen Ort für Halbgötter?«, fragte Leo. »Ich meine, außer Camp Half-Blood? Vielleicht hat irgendein verrückter Lateinlehrer Götterkinder entführt und hat ihnen römisches Denken eingetrichtert oder so.«
Kaum hatte er das gesagt, da begriff Leo, wie blödsinnig sich das anhörte. Thalias strahlend blaue Augen musterten ihn forschend und er kam sich vor wie ein Verdächtiger bei einer Gegenüberstellung.
»Ich war in allen Ecken des Landes«, sagte Thalia nachdenklich. »Ich habe nie eine Spur eines verrückten Lateinlehrers oder eines Halbgottes im lila Hemd gesehen. Trotzdem …« Ihre Stimme versagte, als ob ihr gerade ein beunruhigender Gedanke gekommen sei.
»Was denn?«, fragt Jason.
Thalia schüttelte den Kopf. »Ich muss mit der Göttin sprechen. Vielleicht wird Artemis uns führen.«
»Sie redet noch mit dir?«, fragte Jason. »Die meisten Götter sind verstummt.«
»Artemis hat ihre eigenen Regeln«, sagte Thalia. »Sie gibt sich alle Mühe, damit Zeus es nicht erfährt, aber sie hält es für idiotisch, dass Zeus den Olymp verschlossen hat. Sie hat uns auf Lycaons Spur gebracht. Sie meinte, wir würden dabei einen Hinweis auf einen verschwundenen Freund finden.«
»Percy Jackson«, sagte Leo. »Der Typ, den Annabeth sucht.«
Thalia nickte und ihr Gesicht war voller Sorge.
Leo hätte gern gewusst, ob je irgendwer wegen ihm so besorgt ausgesehen hatte, bei den vielen Malen, die er verschwunden war. Er glaubte das eigentlich nicht.
»Aber was hat Lycaon mit alldem zu tun?«, fragte Leo. »Und wie ist die Verbindung zu uns?«
»Das müssen wir schleunigst herausfinden«, gab Thalia zu. »Wenn eure Frist morgen endet, dann verschwenden wir kostbare Zeit. Aeolus könnte euch sagen …«
Wieder tauchte die weiße Wölfin in der Tür auf und fiepte mahnend.
»Ich muss los«, sagte Thalia. »Sonst verliere ich die Fährte der anderen Jägerinnen. Aber zuerst bringe ich euch zum Palast des Aeolus.«
»Wenn das nicht geht, ist es auch okay«, sagte Jason, klang aber ziemlich verzweifelt.
»Also bitte.« Thalia lächelte und half ihm auf die Füße. »Ich hatte jahrelang keinen Bruder. Ich glaube, ich kann noch ein paar Minuten durchhalten, bis du anfängst, mich zu nerven. Also los.«
XXXVI
Leo
Als Leo sah, wie gut Piper und Hedge versorgt wurden, war
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