Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
Zweijährigen, der einen Tacker zu verspeisen versuchte. Leo zog einige Stücke Kupferdraht aus der Tasche und drehte sie umeinander.
Endlich konnte er das Schweigen nicht mehr ertragen. »Also … die Jägerinnen der Artemis. Diese ganze Kiste mit dem Leben ohne Jungs – gilt das für immer oder ist das eine Phase oder so?«
Thalia starrte ihn an, als ob er sich eben aus Kloakenschaum erhoben hätte. Er fand dieses Mädchen einfach wunderbar.
Jason trat ihm vors Schienbein. »Kümmer dich nicht um Leo. Der versucht nur, das Eis zu brechen. Aber Thalia … was ist aus unserer Familie geworden? Wer hat dir gesagt, ich sei tot?«
Thalia zupfte an einem silbernen Armband um ihr Handgelenk. Im Feuerschein, in ihrer winterlichen Tarnkleidung, sah sie fast aus wie Chione die Schneeprinzessin – ebenso kalt und schön.
»Kannst du dich an irgendwas erinnern?«, fragte sie.
Jason schüttelte den Kopf. »Ich bin vor drei Tagen bei Leo und Piper in einem Bus zu mir gekommen.«
»Was nicht unsere Schuld war«, fügte Leo eilig hinzu. »Hera hat sein Gedächtnis gestohlen.«
Thalias verspannte sich. »Hera? Woher weißt du das?«
Jason schilderte ihren Einsatz – die Weissagung im Camp, Heras Gefangenschaft, der Riese, der Pipers Dad in seiner Gewalt hatte, das Ende der Frist zur Wintersonnenwende. Leo schaltete sich bei den wichtigen Dingen ein: wie er den Bronzedrachen repariert hatte, dass er Feuerkugeln werfen konnte und hervorragende Tacos zubereitete.
Thalia war eine gute Zuhörerin. Nichts schien sie zu überraschen, weder die Monster noch die Weissagungen oder die Auferstehung der Toten. Aber als Jason König Midas erwähnte, fluchte sie auf Altgriechisch.
»Ich wusste ja, wir hätten seinen Palast abfackeln sollen«, sagte sie. »Dieser Mann ist eine Pest. Aber wir wollten ja unbedingt Lycaon verfolgen – na ja, ich bin auf jeden Fall froh, dass ihr entkommen seid. Und Hera hat dich also … na ja, all die Jahre lang versteckt?«
»Ich weiß nicht.« Jason zog das Foto aus der Tasche. »Sie hat mir gerade genug Erinnerung gelassen, um dein Gesicht zu erkennen.«
Thalia sah das Bild an und ihre Miene entspannte sich. »Das hatte ich ganz vergessen. Ich habe es in Hütte 1 gelassen, oder?«
Jason nickte. »Ich glaube, Hera wollte, dass wir uns treffen. Als wir hier gelandet sind, bei dieser Höhle … ich hatte das Gefühl, dass es wichtig wäre. Als ob ich wüsste, dass du in der Nähe bist. Ist das nicht verrückt?«
»Nö«, versicherte ihm Leo. »Wir mussten doch unbedingt deine scharfe Schwester treffen.«
Thalia ignorierte ihn. Vermutlich wollte sie nicht zeigen, wie sehr sie von Leo beeindruckt war.
»Jason«, sagte sie. »Wenn man mit den Göttern zu tun hat, ist nichts zu verrückt. Aber man kann Hera nicht vertrauen, schon gar nicht, wenn man ein Kind des Zeus ist. Sie hasst alle Kinder des Zeus.«
»Aber sie hat etwas darüber gesagt, dass Zeus ihr mein Leben als Friedensangebot überlassen hat. Ergibt das irgendeinen Sinn?«
Thalias Gesicht entfärbte sich. »Oh Götter. Mutter wird doch nicht … du weißt bestimmt nicht mehr – nein, natürlich nicht.«
»Was denn?«, fragte Jason.
Thalias Gesicht schien im Feuerschein zu altern, als funktioniere das mit der Unsterblichkeit doch nicht so gut. »Jason … ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Unsere Mom war nicht gerade stabil. Sie fiel Zeus ins Auge, weil sie im Fernsehen auftrat und schön war, aber sie konnte mit dem Ruhm nicht umgehen. Sie trank, baute Scheiß. Sie war dauernd in der Klatschpresse und konnte nie genug Aufmerksamkeit bekommen. Schon vor deiner Geburt haben sie und ich uns nur gestritten. Sie … sie wusste, dass Dad Zeus war, und ich glaube, das war einfach zu viel für sie. Es war anscheinend eine absolute Spitzenleistung für sie, dass sie den Herrn des Himmels verführt hatte, und sie konnte nicht hinnehmen, dass er sie verließ. Und das ist eben so bei den Göttern … die bleiben nicht.«
Leo dachte an seine eigene Mom, wie sie ihm immer wieder gesagt hatte, dass sein Dad eines Tages zurückkehren würde. Aber sie hatte deshalb nie verrückt gespielt. Sie schien Hephaistos nicht für sich zu wollen – aber Leo sollte seinen Vater kennen. Sie hatte hart arbeiten müssen, in einem winzigen Loch gelebt, nie genug Geld gehabt – und sie schien damit zufrieden gewesen zu sein. Solange sie Leo hätte, sei das Leben in Ordnung, hatte sie immer gesagt.
Er sah Jasons Gesicht an – Jason sah
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