Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
er durch und durch beleidigt.
Er hatte sich vorgestellt, dass sie sich im Schnee die Hintern abfrieren würden, aber die Jägerin Phoebe hatte vor der Höhle eine Art silbernen Zeltpavillon aufgebaut. Wie sie das so schnell geschafft hatte, begriff Leo nicht, aber im Zelt hielten ein Kerosinofen und ein Haufen weicher Kissen sie wunderbar warm. Piper sah wieder normal aus, und sie trug einen neuen Parka, Handschuhe und eine Tarnhose wie eine Jägerin. Sie und Hedge und Phoebe hatten es sich gemütlich gemacht und tranken heiße Schokolade.
»Also echt«, sagte Leo. »Wir sitzen in einer Höhle und ihr kriegt das Luxuszelt? Kann mir mal jemand eine Unterkühlung verpassen? Ich will auch heiße Schokolade und einen Parka!«
Phoebe rümpfte die Nase. »Jungs«, sagte sie, als sei das die schlimmste Beleidigung, die ihr einfiel.
»Ist schon gut, Phoebe«, sagte Thalia. »Sie werden wirklich Mäntel brauchen. Und ich glaube, wir können auf ein wenig Schokolade verzichten.«
Phoebe grummelte, aber bald trugen auch Leo und Jason silbrige Winterkleidung, die unglaublich leicht und warm war. Die heiße Schokolade war erstklassig.
»Prost!«, sagte Trainer Hedge und knabberte an seiner Thermostasse aus Plastik.
»Das kann nicht gut für deine Innereien sein«, sagte Leo.
Thalia streichelte Pipers Rücken. »Kannst du jetzt weiter?«
Piper nickte. »Ja, Phoebe sei Dank. Ihr kennt euch wirklich aus mit dieser Survivalkiste. Ich habe das Gefühl, ich könnte kilometerweit rennen.«
Thalia zwinkerte Jason zu. »Für ein Kind der Aphrodite ist sie ganz schön hart im Nehmen. Sie gefällt mir.«
»He, ich könnte auch kilometerweit rennen«, bot Leo an. »Dieses Hephaistos-Kind ist auch hart im Nehmen. Also los.«
Natürlich achtete Thalia nicht auf ihn.
Phoebe brauchte genau sechs Sekunden, um das Zelt abzubauen. Leo konnte es nicht fassen. Das Zelt faltete sich selbst zu einem Viereck von der Größe einer Kaugummipackung zusammen und Leo hätte gern um den Konstruktionsplan gebeten, aber sie hatten keine Zeit.
Thalia rannte bergauf durch den Schnee, wobei sie einem winzigen Pfad am Hang folgte, und schon bald bedauerte Leo seinen Versuch, als Macho zu erscheinen, denn die Jägerinnen ließen ihn weit hinter sich zurück. Trainer Hedge sprang umher wie eine glückliche Bergziege und trieb sie an, wie auf den Wandertagen in der Schule. »Na los, Valdez. Schneller. Singen wir doch eins. ›Es war einmal ein treuer Husar …‹«
»Aufhören«, fauchte Thalia.
Also rannten sie schweigend weiter.
Leo fiel neben Jason ans Ende der Gruppe zurück. »Wie geht’s dir denn so, Mann?«
Jasons Gesichtsausdruck war Antwort genug. Nicht so toll.
»Thalia nimmt es so gelassen hin«, sagte Jason. »Als sei mein Auftauchen kaum der Rede wert. Ich weiß ja nicht, was ich erwartet hatte, aber … sie ist nicht wie ich. Sie scheint alles so viel besser im Griff zu haben.«
»He, sie muss auch nicht mit einem Gedächtnisverlust kämpfen«, sagte Leo. »Und sie hatte viel mehr Zeit, um sich an diese ganze Halbgottkiste zu gewöhnen. Wenn man eine Zeit lang gegen Monster kämpft und mit Göttern redet, gewöhnt man sich vermutlich an Überraschungen.«
»Kann sein«, sagte Jason. »Ich wünschte nur, ich wüsste, was passiert ist, als ich zwei war, warum meine Mom mich loswerden wollte. Thalia ist schließlich meinetwegen weggelaufen.«
»Egal, was damals passiert ist, es war nicht deine Schuld. Und deine Schwester ist ganz schön in Ordnung. Sie hat große Ähnlichkeit mit dir.«
Jason gab keine Antwort. Leo fragte sich, ob er das Richtige gesagt hatte. Er hatte Jason trösten wollen, aber das hier übertraf seine Trösterfähigkeiten doch gewaltig.
Leo wünschte sich, er könnte in seinen Werkzeuggürtel greifen und das richtige Werkzeug herausziehen, um Jasons Gedächtnis zu reparieren – einen kleinen Hammer vielleicht –, könnte einfach auf die richtige Stellen hauen und alles würde wieder losticken. Nicht gut mit organischen Lebensformen. Danke für dieses Erbe, Dad.
Er war dermaßen in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, dass die Jägerinnen stehengeblieben waren. Er knallte gegen Thalia und fast wären sie beide den Hang hinabgestürzt. Zum Glück stand die Jägerin sicher auf ihren Füßen, sie hielt ihn fest und zeigte dann nach oben.
»Das«, sagte Leo mit erstickter Stimme, »ist ein ganz schön großer Felsen.«
Sie waren fast am Gipfel des Pikes Peak. Unter ihnen war die Welt in Wolken
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