Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
sich Piper. »Auch das lag im Westen. Und Orpheus – der hat versucht, seine Frau zurückzuholen.«
Dad nickte. Ein Jahr zuvor hatte er seine größte Rolle als griechischer König der Antike gespielt. Piper hatte ihm geholfen, die Sagen durchzugehen, die vielen alten Geschichten über Leute, die in Stein verwandelt und in Lavaseen gekocht wurden. Es hatte Spaß gemacht, sie zusammen zu lesen, und Piper schien ihr Leben gar nicht so übel. Eine Zeit lang hatte sie sich ihrem Dad näher gefühlt, aber natürlich war es nicht von Dauer gewesen.
»Es gibt eine Menge Parallelen zwischen Griechen und Cherokees«, sagte Dad zustimmend. »Was würde dein Opa jetzt wohl sagen, wenn er uns sehen könnte, hier am westlichen Ende des Landes? Er würde uns wohl für Geister halten.«
»Soll das heißen, du glaubst diese Geschichten? Du meinst, Mom ist tot?«
Ihm traten Tränen in die Augen und Piper sah die Trauer dahinter. Auf den ersten Blick wirkte er rau und voller Selbstvertrauen, aber in seinen Augen lag solche Traurigkeit. Frauen wollten immer herausfinden, warum. Sie wollten ihn trösten, aber das gelang ihnen nie. Dad hatte Piper gesagt, das sei typisch Cherokee – sie alle hätten diese Düsterkeit in sich, durch Generationen voller Schmerz und Leid. Aber Piper dachte, dass das noch nicht alles sein könnte.
»Ich glaube diese Geschichten nicht«, sagte ihr Vater. »Es macht Spaß, sie zu erzählen, aber wenn ich wirklich an das Geisterland glaubte oder an Tiergeister oder griechische Götter … ich glaube, dann könnte ich nachts nicht schlafen. Ich würde immer jemanden suchen, dem ich die Schuld geben kann.«
Die Schuld dafür, dass Opa Tom an Lungenkrebs gestorben war, dachte Piper, ehe Dad berühmt wurde und das Geld gehabt hätte, um ihm zu helfen. Dafür, dass ihn Mom – die einzige Frau, die er je geliebt hatte – ohne auch nur einen Abschiedsgruß verlassen hatte, ihn allein mit einem frischgeborenen kleinen Mädchen, obwohl er noch gar nicht bereit war, für ein Baby zu sorgen. Dafür, dass er so erfolgreich war und doch nicht glücklich.
»Ich weiß nicht, ob sie noch lebt«, sagte er. »Aber ich glaube, sie könnte auch im Geisterland sein, Piper. Wir können sie nicht zurückholen. Wenn ich etwas anderes glaubte … das könnte ich wahrscheinlich auch nicht ertragen.«
Hinter ihnen wurde eine Autotür geöffnet. Piper drehte sich um und ihr Herz wurde schwer. Jane kam in ihrem Bürokostüm auf sie zumarschiert, sie wackelte auf ihren Stöckelschuhen durch den Sand und hielt ihren elektronischen Organizer in der Hand. Ihre Miene war gleichzeitig verärgert und triumphierend, und Piper wusste, dass sie mit der Polizei gesprochen hatte.
Bitte, fall hin, betete Piper. Wenn hier irgendein Tiergeist oder griechischer Gott helfen kann, dann mach, dass Jane auf die Nase fällt. Ihr soll ja nichts Schlimmes passieren, schaltet sie nur für den Rest des Tages aus, ja?
Aber Jane kam immer näher.
»Dad«, sagte Piper rasch. »Gestern ist mir da etwas passiert …«
Aber auch er hatte Jane gesehen. Er setzte schon wieder sein Dienstgesicht auf, denn Jane wäre nicht hier, wenn die Lage nicht ernst wäre. Ein Studio hatte angerufen, ein Projekt war geplatzt – oder Piper hatte wieder Mist gebaut.
»Wir reden später darüber, Pipes«, versprach er. »Ich muss jetzt erst hören, was Jane will. Du kennst sie ja.«
Ja – Piper kannte Jane. Dad trottete durch den Sand, um mit ihr zu sprechen. Piper konnte nicht hören, was sie sagten, aber das war auch nicht nötig. Sie war gut in der Kunst, Gesichter zu lesen. Jane erzählte ihm die Sache mit dem gestohlenen Auto und zeigte manchmal auf Piper wie auf ein ungezogenes Haustier, das auf den Teppich gepinkelt hatte.
Dads Energie und Enthusiasmus verflogen. Er machte Jane ein Zeichen, sie solle warten. Dann kam er zu Piper zurück. Sie konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht ertragen – als ob sie sein Vertrauen missbraucht hätte.
»Du hattest versprochen, dir Mühe zu geben, Piper«, sagte er.
»Dad, ich hasse diese Schule. Ich schaffe das nicht. Ich wollte dir ja von dem BMW erzählen, aber …«
»Du bist geflogen«, sagte er. »Ein Auto, Piper? Nächstes Jahr wirst du sechzehn. Ich würde dir jedes Auto kaufen, das du dir wünschst. Wie konntest du?«
»Du meinst, Jane würde mir ein Auto kaufen?«, sagte Piper. Sie kam einfach nicht dagegen an. Der Zorn flammte in ihr auf und brach sich Bahn. »Dad, hör mir doch einmal zu. Lass
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