Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
wieder einschlafen konnte, riss Annabeth das Kissen vom Bett.
»Das ist gemein«, beschwerte Clovis sich halbherzig. »Gib es zurück.«
»Erst helfen«, sagte Annabeth. »Dann schlafen.«
Clovis seufzte. Sein Atem roch nach warmer Milch. »Okay. Was ist?«
Annabeth schilderte Jasons Probleme. Ab und zu schnippte sie unter Clovis’ Nase mit den Fingern, um ihn wachzuhalten.
Clovis fand das Ganze offenbar doch irgendwie aufregend, denn als Annabeth fertig war, schlief er nicht ein. Er stand sogar auf und reckte sich, dann schaute er Jason an. »Du kannst dich also an nichts erinnern, ja?«
»Nur Eindrücke«, sagte Jason. »Gefühle, wie …«
»Ja?«, fragte Clovis.
»Als ob ich nicht hier sein dürfte. In diesem Camp. Ich bin in Gefahr.«
»Hmmm. Mach die Augen zu.«
Jason schaute zu Annabeth hinüber, und sie nickte aufmunternd.
Jason hatte Angst, für immer schnarchend in einem der Etagenbetten zu enden, aber er schloss die Augen. Seine Gedanken wurden trübe, als versinke er in einem dunklen See.
Als Nächstes merkte er, dass seine Augen sich plötzlich öffneten. Er saß in einem Sessel am Kamin. Clovis und Annabeth knieten neben ihm.
»… wirklich ernst«, sagte Clovis gerade.
»Was ist passiert?«, fragte Jason. »Wie lange …«
»Nur ein paar Minuten«, sagte Annabeth. »Aber es war krass. Du hättest dich fast aufgelöst.«
Jason hoffte, dass sie das nicht wortwörtlich meinte; ihr Gesicht war sehr ernst.
»Meistens«, sagte Clovis, »gehen Erinnerungen aus guten Gründen verloren. Sie sinken unter die Oberfläche, wie Träume, und mit etwas gutem Schlaf kann ich sie zurückholen. Aber das hier …«
»Lethe?«, fragte Annabeth.
»Nein«, sagte Clovis. »Nicht einmal Lethe.«
»Lethe?«, fragte Jason.
Clovis zeigte auf den Ast über dem Kamin, von dem die milchigen Tropfen fielen. »Der Fluss Lethe in der Unterwelt. Der löst deine Erinnerungen auf, wischt sie einfach weg. Das da ist ein Ast von einer Pappel in der Unterwelt, der in Lethewasser getaucht worden ist. Das ist das Symbol meines Vaters, Hypnos. Lethe ist kein Ort, wo man gern schwimmen gehen würde.«
Annabeth nickte. »Percy war einmal da. Er hat mir gesagt, Lethe sei so stark, dass er sogar einem Titanen das Gedächtnis nehmen könnte.«
Jason war plötzlich froh, dass er den Ast nicht angerührt hatte. »Aber … das ist nicht mein Problem?«
»Nein«, antwortete Clovis. »Dein Gedächtnis ist nicht ausgelöscht worden und deine Erinnerungen nicht begraben. Sie wurden gestohlen.«
Das Feuer knisterte. Tropfen von Lethewasser klatschten in die Zinnbecher auf dem Kaminsims. Ein anderes Hypnoskind murmelte im Schlaf – etwas über eine Ente.
»Gestohlen«, wiederholte Jason. »Wie das?«
»Ein Gott«, sagte Clovis. »Nur ein Gott besitzt solche Macht.«
»Oder eine Göttin«, sagte Jason. »Es war Juno, das wissen wir. Aber wie hat sie das gemacht und warum?«
Clovis kratzte sich im Nacken. »Juno?«
»Er meint Hera«, sagte Annabeth. »Aus irgendeinem Grund schwärmt Jason für die römischen Namen.«
»Hmmm«, sagte Clovis.
»Was meinst du?«, fragte Jason.
»Hmmm«, sagte Clovis noch einmal, und diesmal begriff Jason, dass er schnarchte.
»Clovis!«, schrie er.
»Was? Was?« Clovis’ Lider zitterten und öffneten sich. »Wir haben gerade über Kissen geredet, oder? Nein, über Götter. Jetzt weiß ich es wieder. Griechische und römische. Klar, könnte wichtig sein.«
»Aber es sind dieselben Götter«, sagte Annabeth. »Nur andere Namen.«
»Nicht ganz«, sagte Clovis.
Jason beugte sich vor und war jetzt sehr wach. »Wie meinst du das?«
»Na ja …« Clovis lächelte. »Einige Götter gibt es nur bei den Römern. Wie Janus oder Pompona. Aber die wichtigsten griechischen Götter – die haben bei dem Umzug nach Rom nicht nur ihre Namen geändert. Sondern auch ihre Erscheinung. Ihre Attribute. Sie haben sogar ein wenig andere Persönlichkeiten angenommen.«
»Aber …« Annabeth geriet ins Stocken. »Na gut, dann sind sie im Laufe der Jahrhunderte vielleicht unterschiedlich gesehen worden. Das ändert aber nichts daran, wer sie sind.«
»Tut es wohl.« Clovis nickte schon wieder ein, und Jason schnippte unter seiner Nase mit den Fingern.
»Schon unterwegs, Mutter«, quiekte Clovis. »Ich meine … äh, ich bin wach. Also, äh, Persönlichkeiten. Die Götter änderten sich, um ihre Gastkulturen widerzuspiegeln. Das weißt du doch, Annabeth. Ich meine, heutzutage liebt Zeus
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