Heldenklingen
zieht er immer so ein säuerliches Gesicht.«
»Glama Golding.«
»Der hat einen noch kleineren. Wie der Finger eines Säuglings. Und du hast Verbündete.«
»Tatsächlich?«
»Du weißt, dass es so ist. Mein Vater mag dich.«
Calder runzelte die Stirn. »Dein Vater hasst mich nicht, aber ich bezweifle stark, dass er sofort aufspränge, um den Strick abzuschneiden, wenn man mich hängen wollte.«
»Er ist ein ehrbarer Mann.«
»Natürlich ist er das. Caul Reichel ist wahrlich einer der Aufrechten , das weiß jeder.« Was das auch immer nützen mochte. »Aber du und ich, wir wurden einander versprochen, als ich der Sohn des Königs der Nordmänner war und die Welt eine ganz andere als heute. Er sollte einen Prinzen zum Schwiegersohn erhalten, nicht nur einen stadtbekannten Feigling.«
Sie tätschelte ihm die Wange, heftig genug, dass ein sanftes Klatschen zu hören war. »Ein hübscher Feigling.«
»Hübsche Männer sind im Norden noch weniger beliebt als Feiglinge. Ich bin nicht sicher, ob dein Vater so glücklich darüber ist, dass sich mein Schicksal derart gewandelt hat.«
»Scheiß auf dein Schicksal.« Sie packte ihn am Hemd und zog ihn zu sich heran, und ihr Griff zeigte, dass sie stärker war, als ihr Aussehen vermuten ließ. »Ich wollte nichts daran ändern.«
»Ich auch nicht. Ich sage nur, dass es deinem Vater nicht so recht sein mag.«
»Und ich sage, da irrst du dich.« Sie nahm seine Hand und drückte sie wieder gegen ihren vorstehenden Bauch. »Du gehörst zur Familie.«
»Familie.« Er musste es nicht laut aussprechen, dass Familie nicht nur stärken, sondern auch schwächen konnte. »Also haben wir deinen ehrbaren Vater und meinen holzköpfigen Bruder. Der Norden gehört uns.«
»Das wird er. Ich weiß es.« Sie lehnte sich langsam zurück, zog ihn vom Fenster und zum Bett. »Dow mag ein Mann für den Krieg sein, aber Kriege dauern nicht ewig. Du bist besser als er.«
»Da würden dir nur wenige zustimmen.« Aber es war trotzdem schön zu hören, vor allem, wenn diese Worte ihm mit sanfter, tiefer, drängender Stimme ins Ohr geflüstert wurden.
»Du bist klüger als er.« Ihre Wange strich gegen seinen Kiefer. »Viel klüger.« Ihre Nase berührte sanft sein Kinn. »Der klügste Mann im ganzen Norden …« Bei den Toten, er liebte Schmeicheleien so sehr.
»Mach weiter.«
»Du siehst auf alle Fälle besser aus als er.« Sie drückte seine Hand und ließ sie dann ihren Bauch hinuntergleiten. »Der bestaussehende Mann im ganzen Norden …«
Sanft leckte er mit der Zungenspitze ihre Lippen. »Wenn die Schönsten regierten, dann wärst du schon längst Königin der Nordmänner …«
Ihre Finger nestelten an seinem Gürtel. »Du weißt einfach immer, was du sagen musst, Prinz Calder …«
In diesem Augenblick klopfte es donnernd an die Tür, und er erstarrte. Plötzlich pochte das Blut wieder viel mehr in seinem Kopf als in seinem Schwanz. Nichts zerstört eine romantische Stimmung so gründlich wie die Drohung eines plötzlichen Todes. Es klopfte ein zweites Mal, so laut, dass die schwere Tür erzitterte. Sie fuhren auseinander, erröteten und zupften sich ihre Kleidung zurecht. Eher wie zwei sich liebende Kinder, die von ihren Eltern erwischt werden, denn wie Mann und Frau, die schon seit fünf Jahren verheiratet waren. So viel zu seinen Königsträumen. Er herrschte nicht einmal über das Schloss an seiner eigenen Tür.
»Der verdammte Riegel ist ja wohl auf eurer Seite, oder nicht?«, brüllte er kurz angebunden.
Metall kreischte, dann öffnete sich knarrend die Tür. Ein Mann stand im Rahmen, so groß, dass sein struppiger Kopf beinahe an den Türsturz stieß. Die zerstörte Seite seines Gesichts war nach vorn gewandt, eine narbige Fläche erstreckte sich fast vom Mundwinkel über die Augenbrauen und die Stirn, und die tote Metallkugel in der blinden Augenhöhle schimmerte. Wenn noch ein Hauch von Romantik übrig geblieben gewesen wäre, in irgendeiner Ecke oder vielleicht in Calders Hose, dann hätten ihr dieses Auge und diese Narbe endgültig den Garaus gemacht. Er fühlte, wie Seff erstarrte, und da sie um einiges tapferer war als er, half ihm ihre Angst nicht die Bohne. Caul Espe war eines der schlimmsten Omen, denen ein Mensch begegnen konnte. Die Leute nannten ihn den Hund des Schwarzen Dow, wenn auch nie in seiner Gegenwart. Er war derjenige, den der Bewahrer des Nordens aussandte, um die schwärzesten Taten zu verrichten.
»Dow will dich sehen.« Falls es echte Helden
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