Heldenklingen
langweiliger Auflistung vor ihm: Laufen. Fechtübungen. Kacken. Einen Brief schreiben. Essen. Beobachten. Kacke schreiben. Einen beschissenen Brief. Essen. Dann ins Bett. So tun, als ob man schläft, während man eigentlich die ganze Nacht wach liegt und versucht zu wichsen. Aufstehen. Laufen. Einen Brief …
Mitterick hatte bereits einen gescheiterten Versuch hinter sich, die Brücke zu nehmen: Das Zehnte Infanterieregiment war kühn und etwas unüberlegt hinübergestürmt und, begleitet von lauten Siegesrufen, tatsächlich unbehelligt auf die andere Seite gelangt. Als die Männer dort versuchten, sich zur Schlachtordnung aufzustellen, hatten die Nordmänner sie mit einem Pfeilhagel begrüßt; sie sprangen aus verborgenen Gräben, die sie in den umliegenden Kornnfeldern angelegt hatten, und griffen mit einem wilden Geheul an, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Wer auch immer sie befehligte, verstand sein Handwerk. Die Unionssoldaten kämpften hart, waren aber von drei Seiten eingeschlossen und wurden schnell erschlagen, in den Fluss getrieben, wo sie hilflos im Wasser planschten, oder in das höllische Durcheinander auf der Brücke zurückgedrängt, über die immer noch Einheiten nachrückten.
Am Südufer stellte sich schließlich eine lange Reihe Flachbogenschützen auf und bedachte die Nordmänner mit einer heftigen Salve, woraufhin diese sich desorganisiert in ihre Gräben zurückzogen und die Toten im zertrampelten Getreidefeld auf ihrer Seite der Brücke liegen ließen. Das Zehnte Regiment war jedoch zu stark geschwächt, um die kleine Lücke nutzen zu können, die sich in der Linie des Gegners dadurch ergab. Stattdessen lieferten sich die Bogenschützen beider Seiten über den Fluss hinweg einen planlosen Munitionsaustausch, während Mitterick und seine Offiziere den nächsten Angriff vorbereiteten. Und, möchte man vermuten, auch den nächsten Stapel Särge.
Gorst sah den wirbelnden Mückenschwärmen zu, die am Ufer spielten, und den Leichen, die an ihnen vorübertrieben. Die Tapferkeit. Sie drehten sich in der Strömung. Die Ehre . Mal mit dem Gesicht nach oben, mal mit dem Gesicht nach unten. Die Entschlossenheit der Soldaten. Ein durchweichter Unionsheld wurde kurz von ein paar Schilfhalmen gebremst und dümpelte eine Weile auf der Seite vor sich hin. Ein Nordmann trieb heran, stieß sanft gegen ihn, löste ihn aus dem Schilfgürtel und zog ihn in eigentümlicher Umarmung durch eine Lache mit gelbem, ekligem Schaum. Ah, die erste Liebe. Vielleicht wird mich ja nach dem Tod auch jemand umarmen. Vorher ist das jedenfalls noch nicht besonders häufig vorgekommen. Gorst musste sich zusammenreißen, angesichts dieses Gedankens nicht in äußerst unangemessen lautes Lachen auszubrechen.
»Wen sehe ich denn da? Oberst Gorst!« Der Erste der Magi schlenderte herüber, in einer Hand seinen Stab, in der anderen eine Teetasse. Er betrachtete den Fluss und das Treibgut, stieß einen langen Atemzug durch die Nase aus und wirkte dabei ausgesprochen zufrieden. »Nun, man kann zumindest nicht behaupten, dass sie es nicht mit aller Macht versuchen würden. Erfolge sind ja schön und gut, aber ruhmreiches Scheitern hat ein gewisses dramatisches Flair, finden Sie nicht auch?«
Nein, finde ich nicht, und ich sollte es wissen.
»Lord Bayaz.« Der gelockte Diener des Magus stellte einen Klappstuhl auf, fegte ein unsichtbares Staubkorn vom Stoff der Sitzfläche und verneigte sich tief.
Bayaz ließ seinen Stab unzeremoniös ins nasse Gras fallen und setzte sich, schloss die Augen und wandte das lächelnde Gesicht der Sonne zu, die allmählich an Kraft gewann. »Eine wunderbare Sache, so ein Krieg. Natürlich nur, wenn er in der richtigen Weise und aus den richtigen Gründen geführt wird. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Da wird mal richtig durchgeputzt.« Er schnippte mit den Fingern und erzeugte dabei ein fast unmöglich lautes Geräusch. »Ohne Kriege neigen Gesellschaften zur Verweichlichung. Sie werden schwabbelig. Wie ein Mann, der sich nur von Kuchen ernährt.« Er hob den Arm und boxte Gorst spielerisch gegen den Bizeps, dann schüttelte er seine Finger, als habe er sich wehgetan. »Au! Sie essen wohl nur wenig Kuchen, möchte ich wetten!«
»So ist es.«
Wie fast jeder, mit dem Gorst je gesprochen hatte, hörte auch Bayaz kaum zu. »Die Dinge verändern sich nicht, nur weil man sich das wünscht. Man muss richtig zupacken und sie durchschütteln. Wer auch immer gesagt hat, der Krieg würde nie
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