Heldenklingen
Schildwall am nördlichen Brückenkopf und liefen über den Platz unter Becks Fenster. In Sicherheit. Hoffte er zumindest. Es fühlte sich allerdings verdammt wenig sicher an. Weniger sicher, als Beck sich in seinem Leben je gefühlt hatte.
»Ich will was sehen!« Brait zerrte an Becks Hemd und versuchte einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen. »Was passiert da draußen?«
Beck wusste nicht, was er sagen sollte. Er wusste nicht einmal, ob er überhaupt einen Ton herausbringen würde, wenn er es versuchte. Direkt unter ihnen schrie ein Verwundeter. Es waren gurgelnde, würgende Schreie. Beck wünschte sich, sie würden aufhören. Ihm wurde schwindlig davon.
Die Palisade war schon fast völlig verloren. Er sah einen hochgewachsenen Unionisten auf dem Wehrgang, der mit einem Säbel zur Brücke deutete und Männern, die links und rechts von ihm über die Leitern strömten, auf den Rücken klopfte. Am Tor hatten sich noch einige Carls um eine zerfetzte Standarte geschart und bildeten mit ihren bemalten Schilden einen Halbkreis, aber sie waren bereits umzingelt und standen einer großen Übermacht gegenüber, und von den Wehrgängen oben regnete es Bolzen.
Einige der größeren Gebäude waren jedoch noch in der Hand der Nordmänner. Beck sah Leute an den Fenstern, die schnell Pfeile abschossen und sich dann wieder wegduckten. Türen wurden zugenagelt und verbarrikadiert, aber die Unionisten schwärmten nun durch die Straßen wie Bienen um ihren Stock. Es war ihnen gelungen, einige der größten Widerstandsnester in Brand zu setzen, trotz der Nässe. Nun quoll brauner Rauch hervor und wurde vom Wind nach Osten getrieben, auf der Unterseite von den dunkel orangefarbenen Flammen beleuchtet, die darunter flackerten.
Ein Nordmann stürmte aus einem brennenden Haus hervor und schwang eine Axt mit beiden Händen über dem Kopf. Beck hörte nicht, dass er brüllte, konnte es aber sehen. In den Liedern hätte er zahlreiche Feinde mit sich ins Grab genommen und sich stolz zu den Toten gesellt. Ein paar Unionisten flohen vor ihm, bis ihn einige andere stellten und mit Speeren gegen eine Wand drängten. Einer stach ihn in den Arm, und er ließ die Axt fallen, hob die andere Hand und brüllte weiter. Vielleicht wollte er aufgeben, vielleicht beleidigte er seine Gegner, es spielte keine Rolle. Sie rammten ihm ihre Speere in die Brust, und er brach zusammen. Und sie stachen weiter zu, als er schon am Boden lag. Die Schäfte gingen auf und nieder wie Dreschflegel bei der Feldarbeit.
Becks weit aufgerissene, feuchte Augen glitten von einem Haus zum anderen, und sie sahen Mord und Totschlag überall am Flussufer entlang, keine hundert Schritt entfernt von dort, wo er stand. Männer schleppten einen zappelnden Gegner aus einer Elendshütte und stießen ihn nach vorn. Kurz blitzte ein Messer auf, dann schubsten sie ihn ins Wasser, und er trieb bäuchlings davon, während sie wieder ins Haus gingen. Wahrscheinlich hatte man ihm die Kehle durchgeschnitten, vermutete Beck. Die Kehle durchgeschnitten. Einfach so.
»Sie haben das Tor erobert«, sagte Reft mit erstickter Stimme. Als hätte er nie zuvor gesprochen. Beck sah allerdings, dass er Recht hatte. Die Unionisten hatten die letzten Verteidiger niedergestreckt, hoben nun die dicken Balken aus ihrer Verankerung und schoben die Tore auf. Tageslicht fiel durch den eckigen Durchgang.
»Bei den Toten«, flüsterte Beck, doch die Worte kamen nur wie ein Hauch aus seinem Mund. Hunderte dieser Dreckskerle drängten herein in die Stadt, strömten in den Rauch und zu den verstreuten Gebäuden, kamen in Scharen über die Straße auf die Brücke zu. Die Dreierreihe der Nordmänner auf der Nordseite wirkte plötzlich erbärmlich schwach. Ein Deich aus Sand, um das Meer zurückzuhalten. Beck sah, wie sich die Männer nervös rührten. Wie sie beinahe vor seinen Augen schrumpften. Fühlte ihren abgrundtiefen Wunsch, zu jenen zu stoßen, die über die Brücke liefen, sich durch ihre Reihen drängten und versuchten, dem Töten am anderen Ufer zu entkommen.
Beck spürte es auch, dieses kitzelnde Verlangen, einfach loszurennen. Das drängende Bedürfnis, irgendetwas zu tun, und weglaufen war das Einzige, was ihm einfiel. Seine Augen huschten über die brennenden Gebäude auf der südlichen Seite des Flusses. Die Flammen leckten nun höher hinauf, und Rauch breitete sich über die Stadt.
Beck fragte sich, wie es wohl in diesen Häusern sein mochte. Kein Ausweg mehr. Tausende von Unionisten, die gegen
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