Heldenklingen
die Türen schlugen und Pfeile ins Innere schossen. Wie sich die Räume in den unteren Stockwerken mit Rauch füllten. Verwundete, die nicht auf Gnade hoffen konnten. Die ihre letzten Pfeile zählten. Und ihre toten Freunde. Kein Ausweg mehr. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war Beck bei solchen Gedanken das Blut in Wallung gekommen. Jetzt gefror es ihm eher in den Adern. Es waren keine Festungen dort auf der anderen Seite, die zur Verteidigung errichtet worden waren, sondern nur armselige Holzhütten.
Genau wie jene, in der er sich befand.
TÖDLICHE ROHRE
Euer Erhabene Majestät,
am Morgen des zweiten Tags der Schlacht haben die Nordmänner gut zu verteidigende Stellungen am Nordufer des Flusses bezogen. Sie halten die Alte Brücke, sie halten Osrung, und sie halten den Heldenberg. Sie halten die Furt und fordern uns geradezu heraus, sie zu erobern. Zwar ist das Gelände auf ihrer Seite, aber sie haben die Initiative Lord Marschall Kroy überlassen, der nun, da all unsere Kräfte auf dem Schlachtfeld eingetroffen sind, nicht lange zögern wird, sie auch zu ergreifen.
An der östlichen Flanke hat Lord Statthalter Meed den Angriff bereits begonnen und stürmt mit großer Übermacht gegen Osrung. Ich selbst befinde mich im Westen und beobachte General Mittericks Angriff auf die Alte Brücke.
Der General hat im ersten Morgenlicht eine aufrüttelnde Ansprache gehalten. Als er schließlich die Frage stellte, wer als Freiwilliger den Angriff anführen wollte, hoben alle Männer ohne zu zögern die Hand. Eure Majestät wäre stolz auf die Tapferkeit, die Ehre und die Entschlossenheit Ihrer Soldaten gewesen. Jeder von ihnen ist wahrlich ein Held.
Ich verbleibe wie stets der treueste und unwürdigste Diener Eurer Majestät,
Bremer dan Gorst, königlicher Berichterstatter aus dem Nordkrieg
Gorst löschte die Tinte, faltete den Brief und reichte ihn Jünger, der ihn mit einem Tropfen roten Wachses versiegelte und in eine Kuriertasche gleiten ließ, auf der die goldene Sonne der Union aufwendig vergoldet ins Leder geprägt worden war.
»Die Nachricht wird noch in dieser Stunde auf den Weg nach Süden gehen«, sagte der Diener und wandte sich zum Gehen.
»Hervorragend.« Gorst nickte zufrieden.
Aber ist es das wirklich? Spielt es wirklich eine Rolle, ob dieser Brief früher oder später tatsächlich abgeht, oder ob Jünger ihn zusammen mit allem anderen Dung aus dem Lager in eine Latrinegrube wirft? Spielt es eine Rolle, ob der König die aufgeblasenen Plattitüden liest, die ich über General Mittericks abgedroschene Rede im ersten Morgenlicht zusammengekritzelt habe? Wann habe ich zum letzten Mal einen Brief zurückbekommen? Vor einem Monat? Vor zweien? Wäre eine kurze Nachricht denn wirklich zu viel verlangt? »Vielen Dank für den patriotischen Blödsinn, ich hoffe, Ihnen geht es gut im schmachvollen Exil?
Er kratzte sich geistesabwesend an den verschorften Schrammen auf dem rechten Handrücken; unbewusst wollte er herausfinden, ob sie schmerzen würden, wenn er es darauf anlegte. Als der Schmerz stärker ausfiel, als er erwartet hatte, verzog er leicht gequält das Gesicht. Es ist stets ein schmaler Grat. Sein Körper war übersät mit Schrammen, Stichwunden und blauen Flecken, von denen er teilweise nicht einmal wusste, woher sie stammten. Am meisten jedoch schmerzte ihn der Verlust seines kurzen Eisens, von Calvez geschmiedet, das er irgendwo beim Kampf an der Furt eingebüßt hatte. Es war eines der wenigen Relikte aus der Zeit gewesen, da er noch der hochrangige Erste Leibwächter des Königs gewesen war, nicht der Verfasser verachtenswerter Hirngespinste. Ich bin wie eine zurückgewiesene Geliebte, die zu viel Angst davor hat, sich einem neuen Leben zuzuwenden, und die mit bebenden Lippen die letzten schwachen Erinnerungen an den Dreckskerl heraufbeschwört, der sie schließlich sitzen ließ. Nur noch trauriger, noch hässlicher und mit einer noch höheren Stimme. Außerdem bringe ich aus Spaß Leute um.
Er trat unter dem tropfenden Vordach seines Zelts ins Freie. Der Regen hatte nachgelassen, es fielen nur noch einige verirrte Tropfen, und durch die dicken Wolken, die das Tal überschatteten, lugte hier und da sogar ein Stück blauer Himmel. Eigentlich hätte bei dem schlichten Genuss, die Sonne auf dem Gesicht zu spüren, zumindest ein kleiner Funke Optimismus in ihm aufflammen sollen. Aber da war nichts, nur die unerträgliche Last seiner Entehrung. Die närrischen Aufgaben lagen in erschütternd
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