Heldenklingen
ihm.«
»Aber ich.« Sie musterten sich eine ganze Weile, wobei in der Dunkelheit nicht viel mehr von Calder zu erkennen war als seine Augen, die in seinem blassen Gesicht schimmerten. Sein Blick glitt hinunter zu Kropfs Hand, die noch immer auf seinem Schwertgriff ruhte.
»Willst du mich umbringen?«
»Natürlich nicht.« Kropf richtete sich auf und ließ die Hand sinken. »Aber ich werde es dem Schwarzen Dow berichten müssen.«
Noch mehr Schweigen. Dann fragte Calder schließlich: »Was genau musst du ihm sagen?«
»Dass du mich aufgefordert hast, ihn umzubringen.«
Wieder eine Pause. »Ich glaube nicht, dass ihm das gefallen wird.«
»Denke ich auch nicht.«
»Ich denke, mir das Blutkreuz in den Bauch zu schneiden, mich dann aufzuhängen und anschließend anzuzünden, das wäre wohl das Mindeste, was er mit mir vorhätte.«
»Glaube ich auch. Und deswegen solltest du besser abhauen.«
»Wohin denn?«
»Wohin du willst. Ich lasse dir einen Vorsprung und sage es ihm erst morgen. Sagen muss ich es ihm. So hätte Dreibaum es auch gemacht.« Dabei hatte ihn Calder gar nicht nach einer Begründung gefragt, und das, was Kropf nun anführte, klang zudem ziemlich lahm.
»Dreibaum wurde getötet, wie du weißt. Für nichts, mitten im Niemandsland.«
»Spielt keine Rolle.«
»Hast du nie darüber nachgedacht, vielleicht besser einem anderen Mann nachzueifern?«
»Ich habe mein Wort gegeben.«
»Mörderehrenwort, was? Hast du auf Skarlings Schwanz geschworen oder was?«
»Musste ich nicht. Ich habe mein Wort gegeben.«
»Dem Schwarzen Dow? Vor ein paar Tagen hat er noch versucht, mich töten zu lassen, und jetzt soll ich hier seelenruhig sitzen und warten, bis er es wieder macht? Der Mann ist tückischer als der Winter!«
»Spielt keine Rolle. Ich habe Ja gesagt.« Und bei den Toten, er wünschte sich, er hätte es nicht getan.
Calder nickte, und ein kleines Lächeln umspielte seinen Mund. »Oh, klar. Dein Wort. Verstehe. Der gute Kropf, immer aufrecht und ehrlich, was? Egal, wer deswegen dran glauben muss.«
»Ich muss es ihm sagen.«
»Aber morgen erst.« Calder trat einen Schritt zurück, immer noch leise und verächtlich lächelnd. »Du gibst mir einen Vorsprung.« Einen Schritt, noch einen, den Abhang hinunter. »Du wirst es ihm nicht sagen. Ich kenne dich doch, Kropf. Du hast mich doch großgezogen, oder nicht? Du hast mehr Mark in den Knochen. Du bist nicht der Hund des Schwarzen Dow. Du nicht.«
»Es hat nichts mit Mark zu tun, und auch nichts mit Hunden. Ich habe ihm mein Wort gegeben, und morgen sage ich es ihm.«
»Nein, tust du nicht.«
»Doch, werde ich.«
»Nein.« Calders Grinsen verschwand in der Dunkelheit. »Tust du nicht.«
Kropf stand noch kurz da und sah grimmig ins Nichts. Dann biss er die Zähne zusammen, grub die Finger ins Haar, beugte sich vor und stieß ein ersticktes, frustriertes Gebrüll aus. So leer hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit Wast Nimmer ihn verraten, verkauft und nach acht Jahren Freundschaft zu ermorden versucht hatte. Was ihm auch gelungen wäre, wenn Whirrun nicht eingeschritten wäre. Wer ihn allerdings aus dieser Klemme herausholen sollte, das war ihm nicht klar. Er wusste nicht einmal, ob es überhaupt jemanden gab. Dieses Mal war er der Verräter. Irgendjemanden würde er immer verraten, ganz gleich, was er tat.
Immer das Rechte zu tun, das hörte sich nach einer Regel an, die einfach zu befolgen war. Aber wann ist das Rechte doch das Falsche? Das war die Frage, ja, das war die Frage.
DER LETZTE HELD DES KÖNIGS
Euer Erhabene Majestät,
nun endlich liegt Dunkelheit über dem Schlachtfeld. Heute hatten wir große Erfolge zu verzeichnen. Große Erfolge, jedoch zu einem hohen Preis. Zu meinem großen Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Lord Statthalter Meed getötet wurde, als er mit größtem persönlichen Einsatz und Mut an der Seite vieler seiner Offiziere für die Sache Eurer Majestät stritt.
Vom ersten Morgenlicht bis zum Abend wurde in der Stadt Osrung gekämpft. Am Morgen nahmen wir die Palisade, und die Nordmänner wurden über den Fluss getrieben. Sie führten jedoch einen Gegenangriff und brachten die Nordhälfte der Stadt wieder in ihre Gewalt. Derzeit trennt also erneut das Wasser die gegnerischen Seiten.
General Mitterick ist es auf dem westlichen Flügel besser ergangen. Zweimal widerstanden ihm die Nordmänner, als er ihre Stellung auf der Alten Brücke angriff, doch beim dritten Versuch wurden sie überwunden und flohen
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