Heldenklingen
über offenes Feld hinter eine niedrige Mauer in einiger Entfernung. Mitterick bringt nun seine Kavallerie über den Fluss und bereitet sich darauf vor, im Morgengrauen erneut anzugreifen. Von meinem Zelt aus sehe ich die Standarten des Zweiten und Dritten Regiments Eurer Majestät, die trutzig auf jenem Boden flattern, der noch vor einigen Stunden in der Hand der Nordmänner war.
General Jalenhorm hat seine Division inzwischen neu aufgestellt, durch Reserven der Freiwilligenregimenter verstärkt und bereitet sich darauf vor, morgen mit großer Truppenstärke und aller Kraft gegen die Helden zu ziehen. Ich werde dabei in seiner Nähe bleiben, um seinen Sieg unmittelbar mitzuerleben und Eure Majestät über die Niederlage des Schwarzen Dow zu informieren, sobald wir die stehenden Steine zurückerobert haben.
Ich verbleibe der treueste und unwürdigste Diener Seiner Majestät,
Bremer dan Gorst, königlicher Berichterstatter aus dem Nordkrieg
Gorst reichte Rurgen den Brief und biss die Zähne zusammen, als die Bewegung einen scharfen Stich durch seine Schulter sandte. Alles tat weh. Seinen Rippen ging es noch schlechter als gestern. Während des Kampfes hatte sich die Kante seines Brustpanzers in seine Achselhöhle gebohrt und die Haut dort abgeschürft, und das schmerzte und juckte nun heftig. Zwischen seinen Schultern hatte er sich eine Schnittwunde eingefangen, natürlich genau an jener Stelle, die man mit der eigenen Hand am schlechtesten erreichen konnte. Obwohl ich zweifelsohne ein viel schlimmeres Schicksal verdiene. Aber wahrscheinlich wird mich das auch noch ereilen, bevor wir mit diesem unbedeutenden Tal fertig sind.
»Kann Jünger diese Nachricht überbringen?«, knurrte er.
»Jünger!«, rief Rurgen.
»Was denn?«, kam es von draußen.
»Ein Brief!«
Gorsts jüngerer Diener duckte sich unter der Zelttür hindurch und wollte die Hand nach dem Schreiben ausstrecken, verzog jedoch vor Schmerz das Gesicht und musste ein wenig näher treten, um den Brief in Empfang zu nehmen. Nun bemerkte Gorst, dass seine rechte Gesichtshälfte von einem großen Verband verdeckt war, in dessen Mitte sich ein brauner Fleck getrockneten Blutes abzeichnete.
Er starrte Jünger an. »Was ist Ihnen denn zugestoßen?«
»Nichts.«
»Ha«, brummte Rurgen. »Erzählen Sie es ihm.«
Jünger quittierte das mit einem ablehnenden Kopfschütteln. »Es spielt keine Rolle.«
»Felnigg ist ihm zugestoßen«, erklärte Rurgen. »Wo Sie schon fragen.«
Gorst sprang auf; seine Schmerzen waren vergessen. »Oberst Felnigg? Marschall Kroys Stabschef?«
»Ich stand ihm im Weg, das ist alles. Mehr ist nicht geschehen.«
»Er hat ihm einen Peitschenhieb versetzt«, fügte Rurgen hinzu.
»Er hat Sie … geschlagen?«, flüsterte Gorst. Kurz stand er nur da und starrte vor sich hin. Dann riss er sein langes Eisen an sich, das sauber, geschärft und sicher in seiner Scheide auf dem Tisch neben ihm lag.
Jünger stellte sich ihm in den Weg und hob die Hände. »Bitte tun Sie nichts Unbedachtes.« Gorst schob ihn beiseite und war schon aus dem Zelt, trat in die kühle Nacht und schritt über das niedergetrampelte Gras. »Bitte tun Sie nichts Unbedachtes!«
Gorst marschierte weiter.
Felniggs Zelt war am Berghang aufgeschlagen worden, ganz in der Nähe der verfallenen Scheune, die Marschall Kroy als Hauptquartier auserkoren hatte. An den Rändern der Zelttür sickerte das Licht einer Lampe in die Nacht, beleuchtete einen schmalen Streifen schlammiges Gras, ein Büschel ausgefranstes Ried und das Gesicht eines großartig gelangweilt dreinschauenden Wachmanns.
»Kann ich Ihnen helfen, Herr Oberst?«
Mir helfen, du Sackgesicht? Der lange Weg aus dem Tal bis hier herauf war nicht angetan gewesen, Gorst noch einmal ruhig über die Sache nachdenken zu lassen; vielmehr hatte er seine Wut nur weiter angefacht. Er packte den Wächter im Armloch seiner Rüstung und schleuderte ihn den Abhang hinunter, dann riss er die Zelttür beiseite. »Felnigg!«
Er erstarrte. Das Zelt war voller Offiziere. Ranghohe Mitglieder von Kroys Stab, die Spielkarten oder Gläser in den Händen hielten und sich größtenteils bereits die Uniformröcke gemütlich aufgeknöpft hatten, scharten sich um einen Intarsientisch, der aussah, als sei er bei der Plünderung eines Palastes mitgegangen. Einer der Männer rauchte eine Tschagga-Pfeife. Ein anderer goss Wein aus einer grünen Flasche in sich hinein. Ein dritter saß über ein dickes Buch gebeugt da und machte bei
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