Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
befriedigend. Die Kameradschaft unter Kriegern – wer hätte das gedacht? Er grinste, als die Männer ihm zujubelten und ihm ihre Waffen entgegenreckten, er hielt sein Schwert in die Höhe und winkte zurück. Ob es wohl zu spät war, um ein bisschen Blut auf die Klinge zu schmieren, wenn er schon keine Gelegenheit gehabt hatte, sie tatsächlich zu schwingen? An Blut war schließlich kein Mangel, und er bezweifelte, dass die früheren Eigentümer es vermissen würden.
    »Häuptling?«
    »Hm?«
    Schneebleich deutete in Richtung Süden. »Vielleicht sollten wir sie wieder antreten lassen.«
    Der Regen wurde dichter, große Tropfen hinterließen dunkle Flecken auf der Erde und rannen perlend von den Rüstungen der Lebenden und der Toten. Südlich lag nun ein nebliger Schleier über dem Schlachtfeld, aber Calder glaubte, hinter den ziellos herumirrenden, reiterlosen Pferden und den pferdlosen Reitern, die zur Alten Brücke zurückliefen, Schemen im Kornfeld erkennen zu können.
    Er beschattete die Augen mit einer Hand. Mehr und mehr Gestalten lösten sich aus dem Regen, verwandelten sich von geisterhaften Erscheinungen in solche aus Fleisch und Blut und Metall. Fußtruppen der Union. Große Einheiten, die in gemessenen, gut organisierten und entsetzlich zielgerichteten Reihen voranmarschierten, die Stangenwaffen hoch erhoben, die Flaggen von der Nässe schlapp.
    Calders Männer hatten sie ebenfalls gesehen, und ihr Triumphgeheul war bereits wieder vergessen. Die bellenden Stimmen namhafter Männer drangen hinaus in den Regen und trieben die Leute wieder auf ihre Plätze hinter der dritten Grube. Weißauge trommelte einige der nur Leichtverwundeten zusammen, die als Reserve dienen und gegebenenfalls Löcher stopfen sollten. Calder fragte sich, ob man in ihm ebenfalls einige Löcher würde stopfen müssen, bevor der Tag um war. Es erschien ihm nicht unwahrscheinlich.
    »Du hast nicht vielleicht noch ein paar weitere Tricks auf Lager?«, fragte Schneebleich.
    »Leider nicht.« Wegrennen wie ein Hase vielleicht, aber das zählte wohl nicht. »Du?«
    »Nur den einen.« Der alte Krieger wischte sich sorgfältig mit einem Lappen das Blut von der Klinge seines Schwerts und hielt die Waffe hoch.
    »Oh.« Calder sah zu seiner eigenen, sauberen Waffe hinunter, auf der lediglich Wassertröpfchen schimmerten. »Das.«

DAS PROBLEM DER ENTFERNUNG
    I ch kann verdammt noch mal nichts sehen!«, zischte Finrees Vater, trat einen Schritt vor und spähte wieder durch sein Fernglas, auch wenn das vermutlich ebenso wenig Sinn hatte wie noch kurz zuvor. »Sie vielleicht?«
    »Nein, Herr Marschall«, brummte einer seiner Stabsoffiziere wenig hilfreich.
    Sie hatten Mittericks vorzeitigen Angriff mit verblüfftem Schweigen verfolgt. Dann, als das erste Licht über das Tal kroch, Jalenhorms Offensive. Etwas später hatte der leichte Regen eingesetzt. Zuerst war Osrung in der grauen Wand zur Rechten verschwunden, dann Clails Mauer zur Linken, dann die Alte Brücke und der namenlose Gasthof, in dem Finree gestern ums Haar getötet worden wäre. Nun verwandelten sich selbst die Untiefen in halbvergessene Geister. Alle standen schweigend da, vor Anspannung wie gelähmt, und lauschten gebannt auf jedes Geräusch, das hin und wieder den äußersten Bereich des Hörvermögens streifte und das feuchte Regenflüstern übertönte. Allein angesichts dessen, was tatsächlich noch zu sehen war, hätte man glauben können, es gäbe vielleicht gar keine Schlacht.
    Finrees Vater tigerte hin und her und griff mit den Fingern der einen Hand immer wieder ins Nichts. Schließlich blieb er neben ihr stehen und starrte hinaus in das formlose Grau. »Manchmal glaube ich, es gibt keinen machtloseren Menschen auf der ganzen Welt als den Oberkommandierenden auf einem Schlachtfeld«, brummte er.
    »Seine Tochter vielleicht?«
    Er lächelte sie angespannt an. »Geht es dir gut?«
    Sie erwog kurz, zurückzulächeln, konnte sich dann aber nicht dazu durchringen. »Es ist alles in Ordnung«, log sie schnell und noch dazu recht offensichtlich. Abgesehen von dem höchst realen Schmerz, den jede Kopfbewegung durch ihren Nacken schickte, der durch ihren Arm zuckte, sobald sie die Hand benutzte, und der ständig durch ihre Kopfhaut pulsierte, spürte sie die ganze Zeit über eine ungerichtete, erstickende Angst. Immer wieder fuhr sie zusammen und blickte sich um wie ein Geizhals, der sich nach seinem verlorenen Geldbeutel umsieht, aber sie wusste nicht einmal, wonach sie eigentlich

Weitere Kostenlose Bücher