Heldenklingen
in dem Ton, in dem man auch hätte »Halt die Klappe« sagen können, und genau das meinte sie auch.
Falls Bayaz das verstand, überhörte er es. »Es ist eine Schande, dass wir aus der Ferne nicht sehen können, wie sich die kleinen Leute abmühen. Der Blick über ein Schlachtfeld ist stets etwas ganz Besonderes, vor allem hier, wo es sich selbst nach meiner Erfahrung um ein sehr großes handelt. Aber das Wetter gehorcht eben niemandem.« Bayaz grinste zu den dräuenden, immer schwärzer werdenden Wolken hinauf. »Ein richtiger Sturm! Welch eine Dramatik, was? Es gibt doch keine bessere Kulisse für einen Waffengang!«
»Haben Sie ihn heraufbeschworen, damit die Atmosphäre stimmt?«
»Ich wünschte, so etwas stünde in meiner Macht. Allein die Vorstellung, es würde jedes Mal donnern, wenn ich irgendwo erscheine! In der alten Zeit konnte mein großer Meister, Juvens, mit einem Wort Blitze vom Himmel schleudern, mit einer Geste einen Fluss anschwellen lassen und mit einem Gedanken allein Raureif über den Boden breiten. So groß war die Macht seiner Künste.« Er breitete seine Hände aus, hielt sein Gesicht in den Regen und hob seinen Stab gegen die Wolken, aus denen es noch immer schüttete. »Aber das ist lange her.« Er ließ die Arme sinken. »Heutzutage wehen die Winde, wie es ihnen beliebt. Wie in einer Schlacht. Wir, die noch übrig sind, müssen heute auf … eher indirektem Wege tätig werden.«
Wieder erscholl Hufschlag, und ein zerzauster junger Offizier kam aus dem Unlicht herangeprescht.
»Berichten Sie!«, befahl Felnigg so lautstark und fordernd, dass Finree sich unwillkürlich fragte, warum ihm nicht schon längst einmal jemand die Faust ins Gesicht geschlagen hatte.
»Jalenhorms Männer haben den Feind aus dem Obsthain vertrieben«, antwortete der Bote atemlos, »und stürmen nun im Laufschritt den Berg hinauf!«
»Wie weit haben sie es geschafft?«, fragte Finrees Vater.
»Als ich sie verließ, standen sie kurz vor dem kleineren Steinkreis, den Kindern. Aber ob sie diese Anhöhe erobern konnten oder nich…«
»Stießen sie auf heftigen Widerstand?«
»Er wurde stärker, ja.«
»Wann sind Sie dort aufgebrochen?«
»Ich bin in größter Eile hierhergeritten, Herr Marschall, also vielleicht vor einer Viertelstunde?«
Finrees Vater sah grimmig in den Regen hinaus. Die Umrisse des Berges, auf dem sich die Helden erhoben, war lediglich ein dunklerer Fleck in dem grauen Schleier vor ihnen. Sie erriet seine Gedanken. Inzwischen konnten sie die Kuppe ruhmreich erobert haben, in heftige Kämpfe verwickelt oder vielleicht schon unter heftigen Verlusten zurückgeschlagen worden sein. Sie konnten leben oder tot sein, allesamt, siegreich oder geschlagen. Er wirbelte auf dem Absatz herum. »Satteln Sie mein Pferd!«
Bayaz’ überhebliche Miene verschwand, als hätte man eine Kerze ausgeblasen. »Ich rate Ihnen unbedingt davon ab. Es gibt nichts, was Sie dort drüben erreichen könnten, Marschall Kroy.«
»Es gibt vor allem nichts, was ich von hier aus erreichen könnte, Lord Bayaz«, erwiderte ihr Vater kurz angebunden und schritt an ihm vorüber zu den Pferden. Seine Offiziere und einige der Wachleute folgten ihm. Felnigg schleuderte Befehle in alle Richtungen, und das Hauptquartier brummte plötzlich vor Betriebsamkeit.
»Lord Marschall!«, rief Bayaz. »Mir erscheint das höchst unklug!«
Ihr Vater wandte sich nicht einmal um. »Dann bleiben Sie eben hier, wenn Ihnen das lieber ist.« Damit schob er einen Stiefel in den Steigbügel und zog sich in den Sattel.
»Bei den Toten«, zischte Bayaz unterdrückt.
Finree schenkte ihm ein kleines, schiefes Lächeln. »Offenbar werden Sie doch noch an die vorderste Front gerufen. Vielleicht können Sie dann aus nächster Nähe beobachten, wie sich die kleinen Leute abmühen.«
Der Erste der Magi fand das offenbar nicht lustig.
BLUT
S ie kommen!«
So viel wusste Beck bereits, aber die Männer waren im Kreis der Helden so eng zusammengedrängt, dass er sonst kaum etwas mitbekam. Nasse Pelze, nasse Rüstungen, regennass schimmernde Waffen, verzerrte Gesichter, über die das Wasser lief. Die Steine selbst waren fleckige Schatten, Schemen hinter einem Wald gezackter Speere. Dazu das plätschernde Raunen der Tropfen auf Metall. Von der Bergflanke drang das Klirren und Klappern von Stahl hinauf, die Schlachtrufe dämpfte der strömende Regen.
Eine große Welle ging durch die Menge, und Beck verlor den Boden unter den Füßen, trat ins Nichts und wurde
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