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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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brüllte wie ein Wahnsinniger, schwang sein Schwert wild in alle Richtungen, um damit gegen die Speere zu schlagen und sie wegzustoßen …
    Aber dort war niemand.
    Nur ein paar alte Stangenwaffen lehnten an der Mauer, feuchtes Korn wiegte sich im Wind, und dahinter, im Norden, erhoben sich die stillen, bewaldeten Berghänge, ganz ähnlich wie auf der Südseite des Tals.
    Weit und breit war kein Gegner zu sehen.
    Allerdings war hier ganz unübersehbar gekämpft worden, und zwar heftig. Zu Tunnys rechter Seite waren die Kornfelder niedergetrampelt, und vor der Mauer war der Boden aufgewühlt und übersät mit toten Männern, toten Pferden und den üblichen anderen, hässlichen Hinterlassenschaften von Sieg und Niederlage.
    Aber der Kampf war vorbei.
    Tunny kniff die Augen zusammen. Etwa hundert Schritt nordöstlich von ihnen liefen Leute über die Felder, und die verirrten Sonnenstrahlen, die hier und da durch die schweren Wolken blinzelten, brachen sich funkelnd auf schimmernden Rüstungen. Das waren vermutlich die Nordmänner, die sich, da sie niemand zu verfolgen schien, auf ihrem Rückzug nicht einmal sonderlich beeilten.
    »Jah!« Dotter kam angerannt und kreischte einen Schlachtruf, der nicht einmal eine Ente aufgeschreckt hätte. »Jah!« An der Mauer angekommen, beugte er sich hinüber und fuchtelte wild mit seinem Schwert. »Jah?«
    »Hier ist niemand«, erklärte Tunny und ließ die eigene Klinge langsam sinken.
    »Niemand?«, fragte Werth und schob sich verblüfft den Helm zurecht.
    Tunny setzte sich auf die Steine und klemmte sich die Stange der Standarte zwischen die Knie. »Nur der da.« Damit deutete er auf eine Vogelscheuche, an deren Arme zwei Speere genagelt worden waren, und die einen schön polierten Helm auf dem sackleinernen Kopf trug. »Über den kann jetzt das ganze Regiment herfallen.« Sie waren einer List aufgesessen, die jetzt völlig albern wirkte. Aber schließlich wirken alle Tricks billig und durchschaubar, wenn man sie erkannt hat. Tunny hätte es wissen sollen. Mehr als einmal hatte er sich selbst etwas Ähnliches ausgedacht, wenn er auch meistens eher die eigenen Offiziere hatte täuschen wollen, und nicht den Feind.
    Nun erreichten immer mehr Soldaten die Mauer. Durchnässt, übermüdet, verwirrt. Einer kletterte hinüber, ging zu der Vogelscheuche und streckte seinen Säbel aus.
    »Im Namen Seiner Majestät, legen Sie Ihre Waffen nieder!«, brüllte er. Gelächter erscholl, das allerdings schnell wieder verstummte, als Oberst Vallimir mit wutentbrannter Miene über die Trockensteinmauer kletterte, gefolgt von Oberfeldwebel Forest.
    Ein Reiter preschte heran und trieb sein Pferd durch die verlassene Mauerlücke zu ihrer Rechten, jener Stelle, von der sie geglaubt hatten, dass dort eine heftige Schlacht stattfand; eine Schlacht, deren Ausgang sie maßgeblich hatten mitbestimmen wollen. Eine Schlacht, die längst vorüber war. Der Reiter hielt vor ihnen an. Er und sein Tier waren völlig außer Atem und von dem harten Galopp mit Schlamm bespritzt.
    »Ist General Mitterick hier?«, stieß er keuchend hervor.
    »Leider nicht«, antwortete Tunny.
    »Wissen Sie, wo er sich befindet?«
    »Leider nicht.«
    »Was ist denn los, Mann?«, herrschte Vallimir ihn an, während er von der Mauer sprang. Er bekam dabei seine Säbelscheide zwischen die Beine und wäre beinahe gestürzt.
    Der Bote fuhr herum und salutierte schnell. »Herr Oberst, Lord Marschall Kroy befiehlt, alle Feindseligkeiten sofort einzustellen.« Er lächelte, und die Zähne schimmerten weiß in seinem dreckbeschmierten Gesicht. »Wir haben Frieden mit den Nordmännern geschlossen!« Damit wandte er sein Pferd elegant um und ritt davon, vorbei an zwei fleckigen und zerrissenen Flaggen, die vergessen von ihren Stangen herabhingen und nach Süden zeigten, zu einer Infanterieeinheit der Union, die über die zerstörten Felder anrückte.
    »Frieden?«, raunte Dotter durchweicht und zitternd.
    »Frieden«, knurrte Werth, der versuchte, den Vogeldreck von seiner Rüstung zu reiben.
    »Scheiße!«, brüllte Vallimir und schleuderte seinen Säbel zu Boden.
    Tunny hob die Brauen und rammte seine eigene Klinge mit der Spitze voran in die Erde. Zwar konnte er nicht behaupten, die Sache ebenso schwer zu nehmen wie Vallimir, aber er musste zugeben, dass er vom Ausgang der Dinge doch ein kleines bisschen enttäuscht war.
    »Aber so ist das im Krieg, nicht wahr, meine Schöne?« Vorsichtig rollte er die Standarte des Ersten Regiments Seiner

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