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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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hatte.
    »Prinz Calder«, flüsterte Espe und trat einen Schritt vor.
    Zum Abhauen war es viel zu spät, außerdem wäre er sowieso nur den Unionisten in die Arme gelaufen. In seinem Hinterkopf regte sich kurz die wilde Hoffnung, dass ihm die engsten Vertrauten seines Vaters vielleicht zur Seite stehen würden. Aber sie hatten all die Jahre schließlich genau deswegen unbeschadet überstanden, weil sie dafür bekannt waren, keine aussichtslosen Kämpfe zu führen. Er sah zu Schneebleich hinüber, und der alte Krieger ließ lediglich ein winziges Achselzucken erkennen. Calder hatte ihnen einen Tag geschenkt, auf den sie stolz sein konnten, aber das würde ihm keine selbstmörderischen Treuebeweise einbringen, die er außerdem auch gar nicht verdiente. Sie würden sich um seinetwillen ebenso wenig selbst in Brand setzen wie Caul Reichel. Da musste man realistisch sein, wie der Blutige Neuner früher immer so verdammt gern gesagt hatte.
    Also lächelte Calder hilflos und versuchte wieder zu Atem zu kommen, während Espe einen Schritt vortrat, und dann noch einen. Die schreckliche Narbe war ihm ganz nahe. Fast so nahe, dass er sie hätte küssen können. So nahe, dass Calder sein eigenes verzerrtes, wenig überzeugendes Grinsen in diesem toten Metallball von einem Auge sehen konnte.
    »Dow will dich sehen.«
    Glück. Manche Männer haben Glück. Andere nicht.

ÜBERRESTE
    D er Geruch. Das war das Erste. Ein bisschen so, als sei in der Küche etwas angebrannt. Etwas später roch es schon wie ein großer Feuerstoß. Und schließlich wurde es noch intensiver. Es war eine beißende Note dabei, die Gorst hinten in der Kehle kitzelte. Der Geruch brennender Gebäude. In Adua hatte es so gerochen, während der Belagerung der Stadt. Und auch in Cardottis Haus der Sinnesfreuden, als er dort durch die rauchgeschwängerten Flure rannte.
    Finree ritt wie eine Besessene und hatte ihn, den noch immer Schwindel und Schmerzen plagten, allmählich abgehängt; Männer sprangen von der Straße, als sie heranpreschte. Nur wenig später, als sie am Gasthof vorüberkamen, regnete Asche herab wie schwarzer Schnee. Als die Befestigung von Osrung allmählich aus der rauchigen Düsternis auftauchte, ritten sie durch ein Trümmerfeld. Verkohltes Holz, zerbrochene Schindeln, Tuchfetzen fielen vom Himmel.
    Hier, am Südtor der Stadt, lagen noch mehr Verwundete, nicht nur verstümmelt, sondern auch verbrannt, und nicht nur voller Blut, sondern auch voller Ruß, aber sie machten dieselben Geräusche wie die oben auf den Helden. Geräusche, wie Sterbende und Verwundete sie eben immer von sich geben. Gorst biss die Zähne zusammen. Helft ihnen oder tötet sie, aber sorgt bitte endlich dafür, dass sie mit ihrem Gewimmer aufhören.
    Finree war schon vom Pferd gesprungen und rannte zu Fuß weiter. Sein Kopf dröhnte und sein Gesicht brannte, aber er stolperte hinterher und holte sie kurz hinter dem Tor ein. Seiner Berechnung nach hatte die Sonne ihren Zenit überschritten, aber das spielte keine Rolle, denn in Osrung herrschte erstickendes Zwielicht. Überall zwischen den Holzhäusern loderten Brände. Flammen leckten empor, und ihre Hitze trocknete die Spucke in Gorsts Mund, saugte den Schweiß von seinem Gesicht und brachte die Luft zum Flimmern. Ein Haus stand da wie aufgeschlitzt, eine Wand fehlte ganz, die Geschossdecken ragten in die Luft, und die Fenster blickten aus der Leere ins Nichts.
    Hier herrscht der Krieg. Hier zeigt er sich völlig schmucklos. Ohne polierte Knöpfe, bunte Bänder, ohne Salut und Paraden. Ohne zusammengebissene Zähne und zusammengekniffene Arschbacken. Ohne große Reden, Signaltrompeten und hehre Ideale. Hier ist er, völlig nackt.
    Vor ihm beugte sich jemand über einen Verwundeten, um zu helfen, sah kurz auf, zeigte sein rußbeschmiertes Gesicht. Er half nicht, nein, er hatte nur versucht, dem Mann die Stiefel auszuziehen. Als Gorst hinzutrat, fuhr er zusammen und verschwand in der eigentümlichen Dämmerung. Gorst musterte den Soldaten, der auf dem Boden lag und dessen blasser Fuß sich nun weiß vor dem Dreck abhob. O Blume unserer Manneskraft! Oh, die tapferen Jungs! Oh, schickt sie erst wieder in den Krieg, wenn wir wieder ein wenig Unterhaltung brauchen!
    »Wo sollen wir suchen?«, krächzte er.
    Finree wandte ihm kurz den Kopf zu. Ihr Haar umrahmte zerzaust ihr Gesicht, sie hatte Ruß unter der Nase, und ihre Augen hatten einen wilden Blick. Aber sie ist dennoch so schön wie eh und je. Mehr noch. Viel, viel mehr.

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