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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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tief und sanft aus, dann legte er Brock vorsichtig die Hand an den Hals. Er spreizte Daumen und Mittelfinger, suchte nach der schmalsten Stelle und drückte fest zu.
    Was macht das schon für einen Unterschied? Man füllt hundert Gruben mit toten Nordmännern – herzlichen Glückwunsch, wir veranstalten eine Parade zu Ihren Ehren! Man tötet einen Mann in derselben Uniform – ein Verbrechen! Mord! Verabscheuungswürdig bis zum Äußersten! Aber sind wir nicht alle Menschen? Alle aus Fleisch und Blut und Träumen?
    Er drückte noch etwas stärker zu, konnte es nicht erwarten, es zu Ende zu bringen. Brock wehrte sich nicht. Zuckte nicht einmal. Er war sowieso schon so gut wie tot. Also weise ich doch nur dem Schicksal die richtige Richtung.
    Das ist so viel leichter als bei den anderen. Kein Stahl, keine Schreie, keine Sauerei, nur ein bisschen zudrücken und abwarten. Und so viel sinnvoller als bei all den anderen. Sie besaßen nichts, was ich brauchte, sie standen lediglich auf der falschen Seite. Ich sollte mich schämen, sie getötet zu haben. Aber das hier? Das ist Gerechtigkeit. Das ist eine rechte Tat. Das is…
    »Haben Sie etwas entdeckt?«
    Gorsts Hand öffnete sich sofort, und er schob sie etwas höher, bis er mit zwei Fingern unter Brocks Kinn fasste, als wollte er ihm den Puls fühlen. »Er lebt«, krächzte er.
    Finree fiel neben ihm auf die Knie, berührte Brocks Gesicht mit bebenden Fingern und stieß einen erleichterten Seufzer aus, den Gorst wie einen Dolch empfand, der sich in sein Gesicht bohrte. Er schob Brock einen Arm unter die Knie, den anderen unter den Rücken und stemmte ihn hoch. Es ist mir nicht einmal gelungen, diesen Mann zu töten. Offenbar bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn zu retten.
    Nahe dem Südtor gab es ein Zeltlazarett, dessen Leinwand sich von der herabregnenden Asche bereits grau gefärbt hatte. Draußen warteten Verwundete darauf, dass sie an die Reihe kamen, hatten ihre Hände auf die verschiedensten Verletzungen gepresst, stöhnten oder wimmerten oder schwiegen leeren Blickes. Gorst stampfte an ihnen vorbei ins Zelt hinein. Wir dürfen uns vordrängeln, weil ich der königliche Beobachter bin, sie die Tochter des Marschalls und er ein Oberst von edelstem Blut, von daher ist es nur recht und billig, dass die einfachen Soldaten krepieren, bevor Arschlöcher wie wir womöglich warten müssten.
    Gorst drängte sich durch die Zelttür und legte Brock ganz sanft auf einen fleckigen Tisch. Ein Feldscher mit verkniffenem Gesicht horchte seine Brust ab und erklärte, der Mann sei am Leben. Und meine dummen, kleingeistigen Hoffnungen sind damit zerstört. Wieder einmal. Gorst trat zurück, als sich die Helfer um den Tisch scharten, Finree sich über ihren Mann beugte, ihm die rußige Hand hielt und angespannt sein Gesicht beobachtete. Hoffnung, Angst und Liebe schimmerten in ihren Augen.
    Gorst sah zu. Wenn ich auf diesem Tisch dort stürbe, würde das irgendjemanden interessieren? Sie würden doch alle die Achseln zucken und mich dann mit dem Abfall vor die Tür kippen. Und wieso auch nicht? Das wäre noch besser, als ich es verdiente. Er wandte sich ab, schlurfte nach draußen und stand da, starrte grimmig auf die Verwundeten, wie lange, das wusste er nicht.
    »Sie sagen, er sei nicht allzu schwer verletzt.«
    Er drehte sich um und sah sie an. Zwang sich zu einem Lächeln, das ihm schwerer fiel als das Erklimmen des Heldenbergs. »Das … das freut mich.«
    »Sie sagen, er habe unglaublich viel Glück gehabt.«
    »Das ist wahr.«
    Sie blieben noch kurz schweigend beieinander stehen. »Ich weiß nicht, wie ich mich jemals dafür revanchieren kann …«
    Ach, das wäre ganz einfach. Verlasse diesen hübschen Narren und werde mein. Mehr will ich gar nicht. Nur diese Kleinigkeit. Küss mich, halt mich fest und gib dich mir hin, ganz und gar. Das ist alles. »Keine Ursache«, flüsterte er.
    Aber sie hatte sich schon wieder abgewandt und war ins Zelt zurückgeeilt, hatte ihn allein zurückgelassen. Er blieb noch eine Weile stehen, während weiterhin sanft die Asche herabrieselte, auf den Boden fiel, seine Schultern bedeckte. Neben ihm auf einer Bahre lag ein Junge. Auf dem Weg hierher oder vielleicht auch, während er auf den Feldscher wartete, war er gestorben.
    Gorst sah den Toten grimmig an. Er ist tot, und ein so selbstsüchtiger Feigling wie ich ist noch am Leben. Er atmete durch seine wunde Nase ein und stieß die Luft durch seinen wunden Mund wieder aus. Das Leben ist

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