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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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erledigt. Wieso hätten wir für ihn kämpfen sollen? Wieso? Er hat mir nichts bedeutet. Und er war nicht besser als Calder oder sonst wer. Willst du etwa sagen, wir hätten dafür sterben sollen, Roter Beck?«
    Beck öffnete den Mund und zögerte einen Augenblick. »Ich weiß nicht. Aber ich will das Geld nicht. Wem gehört es überhaupt?«
    »Uns«, sagte sie und blickte ihm fest in die Augen.
    »Das ist nicht recht.«
    »Aufrecht und ehrlich, was?« Sie nickte langsam, und ihre Augen wirkten müde. »Tja. Dann mal viel Glück mit dieser Einstellung. Das wirst du brauchen.«
    Flut sah ein wenig schuldig aus, aber auch er gab sein Geld nicht zurück. Scorry lächelte leise, ließ den Schild ins Gras fallen, setzte sich im Schneidersitz darauf und summte eine Melodie, die von großen Taten kündete. Yon runzelte die Stirn, als er den Inhalt seiner Börse prüfte und ausrechnete, wie viel er bekommen hatte.
    »Was hätte Kropf wohl dazu gesagt?«, raunte Beck.
    Herrlich zuckte die Achseln. »Wen interessiert das? Kropf ist weg. Wir müssen unsere eigenen Entscheidungen treffen.«
    »Joh.« Beck sah von einem zum anderen. »Joh.« Und damit ging er von dannen.
    »Wo gehst du hin?«, rief Flut ihm nach.
    Er gab keine Antwort.
    Er marschierte an einem der Helden vorüber, streifte mit der Schulter den uralten Stein und ging weiter. Dann sprang er über die Trockensteinmauer, hielt sich am Berghang nach Norden, zog sich den Schild vom Arm und warf ihn ins lange Gras. Männer standen in kleinen Gruppen zusammen und sprachen in hitzigem Ton. Stritten sich. Einer zog ein Messer, ein anderer wich mit erhobenen Händen zurück. So wie sich die Nachricht verbreitete, griff Panik um sich. Panik und Zorn, Angst und Freude.
    »Was ist passiert?«, fragte ihn jemand und zerrte an seinem Mantel. »Hat Dow gewonnen?«
    Beck schüttelte die Hand ab. »Weiß ich nicht.« Damit ging er weiter, fiel beinahe in Laufschritt, den Berg hinunter, weg, nur weg. Er wusste nur das Eine. Dieses Leben war nichts für ihn. Die Lieder mochten voller Helden sein, doch die einzigen wirklichen Helden hier waren aus Stein.

IRRUNGEN UND WIRRUNGEN
    F inree war zu den Verwundeten gegangen, um zu tun, was man von Frauen gemeinhin erwartete, wenn die Schlacht vorüber war. Wasserbecher an verzweifelte Lippen heben und trockene Kehlen benetzen. Wunden mit Stofffetzen verbinden, die man vom Saum des eigenen Gewandes riss. Sterbende mit Liedern beruhigen, die sie an ihre Mütter erinnerten.
    Doch nun stand sie reglos und mit aufgerissenen Augen da. Erschüttert vom sinnlosen Chor aus Weinen, Heulen, verzweifeltem Schluchzen. Von den Fliegen, der Kacke, den blutgetränken Laken. Von der Gelassenheit der Pflegerinnen, die wie weiße Geister ruhig zwischen den menschlichen Trümmern dahinschwebten. Aber vor allem erschüttert von der großen Zahl der Verletzten. Sie lagen in endlosen Reihen auf Pritschen oder Laken oder einfach nur auf dem kalten Boden. Ganze Kompanien. Bataillone.
    »Es gibt mehr als ein Dutzend«, sagte ihr ein junger Feldscher.
    »Das sind doch über hundert«, krächzte sie und hielt sich mühsam davor zurück, sich wegen des Gestanks die Hand vor den Mund zu halten.
    »Ich meinte, mehr als ein Dutzend dieser Zelte. Wissen Sie, wie man Verbände wechselt?«
    Falls es so etwas wie eine romantische Verletzung überhaupt gab, dann war hier für sie kein Platz. Jeder Verband, den Finree abwickelte, enthüllte einen neuen, eitrigen, nässenden Albtraum. Einen aufgeschlitzten Arsch, einen eingeschlagenen Kiefer, hinter dem ein Großteil der Zähne und auch ein Stück der Zunge fehlten, eine sauber gespaltene Hand, an der nur noch Daumen und Zeigefinger hingen, ein durchbohrter Bauch, aus dem Pisse leckte. Ein Mann hatte einen Schwertstreich quer über den Nacken bekommen und konnte sich nicht mehr bewegen, lag bäuchlings da und atmete keuchend. Seine Augen folgten ihr, als sie vorüberging, und der Blick, der in ihnen lag, ließ es ihr kalt über den Rücken laufen. Körper, die gehäutet, verbrannt und in abartigem Winkel aufgeschlitzt worden waren, deren geheimes Innenleben der Welt nun in schrecklicher Grausamkeit offengelegt worden war. Wunden, unter denen diese Männer ihr Leben lang leiden würden. Ebenso wie jene, die sie liebten.
    Sie versuchte, ihre Augen nur auf das zu richten, was sie gerade tat, biss sich auf die Lippe, zupfte mit bebenden Fingern an Knoten und steckte Nadeln fest. Versuchte, nicht auf das Flüstern zu hören, mit dem

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