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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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aus der Gorst nun seine Übungswaffen herausgleiten ließ. Herrliche, stumpfe Klingen aus abgenutztem Metall, die Knäufe so groß wie halbe Backsteine – nur so waren diese Eisen, die dreimal schwerer waren als selbst die schwersten regulären Exemplare, halbwegs ins Gleichgewicht zu bringen.
    In wunderbarem Schweigen traten sie ihm entgegen, Rurgen mit Schild und Stock, Jünger mit einer Stange, und sie schlugen zu, während Gorst sich alle Mühe gab, die Schläge mit dem schweren Eisen zu parieren. Sie schenkten ihm nichts, keine Zeit, keine Chancen, keine Gnade und keinen Respekt. Das wollte er auch nicht. Vor Sipani hatte man ihn in Watte gepackt, und er hatte es zugelassen, dass er verweichlichte. Stumpf wurde. Im entscheidenden Augenblick, da man ihn auf die Probe stellte, war er für zu leicht befunden worden. Nie wieder. Sollte es jemals erneut zu einer solchen Situation kommen, dann würde man feststellen, dass er aus Stahl geschmiedet und wie ein Rasiermesser mörderisch geschärft worden war. Und daher hielt er seit vier Jahren, seit Sipani, an dieser morgendlichen Routine fest, bei jedem Wetter, bei Hitze, Regen oder Schnee.
    Holz prallte krachend und schabend auf Metall. Gelegentlich war ein Aufprall und ein Stöhnen zu hören, wenn die Stöcke auf die Rüstung schlugen oder eine ungeschützte Stelle fanden. Der Rhythmus seines abgehackten Atems, sein pochendes Herz, sein wildes Bemühen. Schweiß tränkte seine Jacke, kitzelte seine Kopfhaut, flog in dicken Tropfen aus dem Visier. Jeder Muskel brannte, es wurde immer schlimmer und gleichzeitig immer besser, als könnte er seine Entehrung ausbrennen und über diese Brücke wieder ins Leben zurückfinden.
    Er stand da, den Mund geöffnet, die Augen geschlossen, als die beiden Männer ihm schließlich seine Rüstung abnahmen. Nachdem der Brustpanzer gelöst war, fühlte er sich, als würde er davonschweben. In den Himmel, um nie zurückzukehren. Was ist das da oben über unserem Heer? Oh, das ist doch der berühmte Sündenbock Bremer dan Gorst, endlich befreit von den Fesseln der Erde!
    Er streifte sich die Kleidung ab, durchweicht und nach Schweiß stinkend, und die Arme waren so geschwollen, dass er sie kaum beugen konnte. Nackt stand er in der kühlen Morgenluft, überall mit kleinen Abschürfungen gezeichnet, und dampfte wie ein frisch aus dem Ofen geholter Kuchen. Hart sog er die Luft ein, als seine beiden Diener ihn mit eiskaltem Wasser aus dem Bach begossen. Jünger warf ihm ein Handtuch zu, und er rieb sich trocken, dann brachte Rurgen frische Kleidung. Er zog sich an, während sie seine Rüstung polierten, bis sie wieder den üblichen, matten Schimmer annahm.
    Die Sonne schob sich über den zerklüfteten Horizont, und durch die Schneise zwischen den Bäumen sah Gorst die Soldaten des Ersten Königstreuen Regiments, die sich aus ihren Zelten herausarbeiteten, den Atem als weißer Rauch vor den Gesichtern. Sie legten nun ihre eigenen Rüstungen an, stocherten hoffnungsvoll in der Glut des Feuers vom Vortag herum und bereiteten sich auf den morgendlichen Abmarsch vor. Eine Gruppe hatte man gähnend zusammengetrieben, damit sie dabei zusah, wie einer der Ihren wegen irgendeiner Pflichtverletzung ausgepeitscht wurde. Der Riemen hinterließ hellrote Striemen auf seinem nackten Rücken, und dem scharfen Knallen, das Gorsts Ohr erreichte, folgte wenig später das Winseln des Soldaten. Er weiß nicht, welches Glück er hat. Wäre doch nur meine Strafe so kurz, so heftig und so verdient gewesen.
    Gorsts Kriegsklingen waren von Calvez gefertigt worden, dem besten Waffenschmied ganz Styriens. Ein Geschenk des Königs, weil er ihm in der Schlacht von Adua das Leben gerettet hatte. Rurgen zog das lange Eisen aus der Scheide und zeigte beide Seiten vor, fleckenlos poliertes Metall, das im Morgenlicht glänzte. Gorst nickte. Sein Diener präsentierte ihm das kurze Eisen, dessen Schneiden kalt schimmerten. Gorst nickte wieder, nahm den Harnisch und zog ihn sich über. Dann legte er eine Hand auf Jüngers Schulter, eine auf Rurgens, drückte sie sanft und lächelte.
    Rurgen sprach ganz leise, das Schweigen respektierend, das sie umgab. »General Jalenhorm hat darum gebeten, dass Sie sich zu ihm an die Spitze des Zuges gesellen, Herr Oberst, sobald die Division sich in Marsch setzt.«
    Jünger blinzelte zum allmählich heller werdenden Himmel. »Nur sechs Meilen bis Osrung, Herr Oberst. Meinen Sie, dass es heute dort zur Schlacht kommt?«
    »Ich hoffe nicht.«

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