Heldenklingen
mit dem Schild ab und ließ es ins Gras gleiten.
Und dann waren sie weg.
Agrick sah zu etwas hinab, das auf dem Boden lag, nicht weit vom Feuer entfernt. Starrte hinunter, die Axt in einer Hand, den Helm in der anderen. Kropf wollte nicht wissen, was er ansah, dabei wusste er es bereits.
Einer von Hartbrots Jungs kroch davon, und das Gras raschelte, als er seine blutigen Beine nachschleifte. Espe trat zu ihm und spaltete ihm den Kopf mit der Rückseite seiner Axt. Er schlug nicht hart zu, gerade fest genug. Ordentlich. Wie ein erfahrener Bergmann, der Gestein prüft. Irgendwo schrie noch immer irgendwer. Oder vielleicht war das auch in seinem Kopf. Vielleicht war es auch nur der pfeifende Atem in seiner Kehle. Er sah sich blinzelnd um. Wieso zur Hölle waren sie geblieben? Er schüttelte den Kopf, als ob die Antwort dabei herausfallen würde. Aber es führte nur dazu, dass sein Kinn noch mehr wehtat.
»Kannst du das Bein bewegen?«, fragte Scorry über Brack gebeugt, der am Boden saß und mit blutiger Hand seinen massigen Oberschenkel umklammerte.
»Na klar kann ich es bewegen! Es tut nur beschissen weh, wenn ich das tue!«
Kropf war schweißverklebt, zerkratzt, siedend heiß. Sein Kinn pochte an der Stelle, wo der Schild dagegen gestoßen war, und der Arm schmerzte auch. Das empfindliche Knie und der Knöchel stimmten in das übliche Jammerkonzert mit ein, aber er schien sich sonst nichts getan zu haben. Nichts Schlimmes jedenfalls. Wie er das geschafft hatte, war ihm selbst nicht klar. Das heiße Glühen der Schlacht ließ jetzt schnell nach, und seine schmerzenden Beine zitterten wie die eines neugeborenen Kalbs. Als hätte er alle Kraft für die Schlacht irgendwo geborgt und müsste sie nun mit Zinsen zurückzahlen. Er machte ein paar Schritte zum niedergebrannten Feuer und dem toten Packpferd. Die Sattelpferde waren nicht zu sehen. Vermutlich davongelaufen oder tot. Er ließ sich inmitten der Helden auf den Hintern fallen.
»Alles klar?« Whirrun beugte sich über ihn. Er hielt das große, lange Schwert unterhalb der Parierstange mit einer Hand fest; die Klinge war voller blutiger Spritzer und Streifen. Blutig, so wie es sich gehörte. Wenn der Vater der Schwerter gezogen wurde, musste er Blut schmecken. »Alles klar?«
»Ich denke schon.« Kropf hatte die Finger so fest um den Riemen seines Schilds gekrallt, dass er kaum noch wusste, wie er sie wieder lösen sollte. Schließlich zwang er sich, die Hand zu öffnen, und ließ den Schild ins Gras fallen. Die Oberseite zeigte einige frische Löcher inmitten der vielen hundert alten Kerben, und den stumpfen Schildbuckel zierte eine neue Delle.
Herrlichs zerstrubbeltes Haar war blutgetränkt. »Was ist passiert?« Sie rieb sich die Augen an ihrem Unterarm. »Bin ich verwundet?«
»Ein Kratzer«, erklärte Scorry, der ihre Kopfhaut mit den Daumen untersuchte.
Drofd kniete neben ihr, wiegte sich hin und her, den Arm fest umklammert, während Blut über seine Fingerspitzen rann.
Die Sonne blendete Kropf, und seine Lider zuckten. Er konnte Yon in einiger Entfernung hinter den Steinen schreien hören, wie er Hartbrot und seinen Jungs Schmähungen nachrief. »Kommt zurück, ihr Arschlöcher! Kommt schon, ihr feigen Wichser!« Es war egal. Jeder Mann ist ein Feigling. Ein Feigling und ein Held, je nach Sachlage. Sie würden nicht zurückkommen. Offenbar hatten sie acht Leichen zurückgelassen. Sie würden nicht zurückkommen. Kropf betete zu den alten Göttern dieses Ortes, dass sie nicht zurückkommen würden.
Scorry sang vor sich hin, sanft und leise, als er Nadel und Faden aus seiner Gürteltasche holte. Nach einer Schlacht gibt es keine fröhlichen Weisen. Die aufrüttelnden Lieder werden vorher gesungen, und meist gehen sie recht großzügig mit der Wahrheit um.
Kropf erwischte sich bei dem Gedanken, dass sie die Sache ganz gut hinter sich gebracht hatten. Ziemlich gut. Nur ein Toter. Dann sah er in Athrocs schlaffes Gesicht, wie er schieläugig dalag, das Wams zerfetzt von Rotkrähes Axt, der Stoff rot gefärbt von seinen eigenen Innereien, und Kropf war übel, weil er so etwas gedacht hatte. Er wusste, dass er diesen Anblick ebenso wenig vergessen würde wie all die anderen. Jeder trägt seine eigene Last auf den Schultern.
Er ließ sich ins Gras sinken und sah den Wolken nach, wie sie vorbeizogen. Eine Erinnerung, dann eine weitere. Ein guter Anführer darf nicht ständig über die Entscheidungen grübeln, die er gefällt hat, das hatte Dreibaum ihm
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